Der freundliche Blick auf die Berge und saftig-grünen Matten, mit glücklichen Kühen und Kindern ist nur die eine Seite des Schweizer Dokumentarfilms. Auf der anderen wird mit leiser Beharrlichkeit investigativ den blinden Stellen in Wirtschaft und Politik auf den Zahn gefühlt. Dieser vorbildlichen Tradition folgen Urs Schnell und Res Gehriger mit „Bottled Life – Nestlés Geschäft mit dem Wasser“, der vor seinem Schweizer Kinostart nächste Woche bei den „Solothurner Filmtagen“ uraufgeführt. Auf andere Weise bestürzend ist das Fazit von Heidi Speconias „Carte Blanche“, der bereits auf mehreren Festivals zu sehen war und in Solothurn für den „Prix de Solaire“ nominiert ist.
Zunächst der Nestlé-Film. Der größte Lebensmittelkonzern der Welt hat das Filmprojekt mit Argus-Augen betrachtet und den Machern jegliche Unterstützung versagt. Angesichts des Films kann man verstehen, das er der Unternehmensleitung peinlich ist. Gleichwohl soll der Firmensprecher bei der Uraufführung im Kino gewesen sein.
Es beginnt damit, dass Schnell und Gehriger gleich anfangs ein auf der Nestlé-Homepage gepriesenes Wasser-Hilfs-Projekt in Afrika vor Ort als pure Augenwischerei entlarven. Aber es kommt noch dicker: im US-Bundesstaat Maine pumpt Nestlé Grundwasser praktisch umsonst ab, um damit anschließend in Flaschen abgefüllt, Milliarden zu verdienen. Nestlé ist nicht in den USA inzwischen Marktführer bei Mineralwasser in Flaschen.
Findige Manager in der Schweizer Konzernzentrale haben in den letzten Jahren klammheimlich einen weiteren Markt erschlossen. Es ist allgemein bekannt, dass es in weiten Teil der Welt an Wasser fehlt und wenn es denn in Afrika oder Asien welches gibt, ist es von minderer Qualität und häufig höchst gesundheitsschädlich.
Für die Armen in der Welt hat Nestlé sogar eine eigene Marke kreiert, die „Pure Life“ heißt und Wasser in bester Qualität enthält. Aber Nestlé ist nicht die Caritas und deshalb wird das kostbare Nass natürlich gewinnbringend verkauft. In Namibia zum Beispiel kostet eine Flasche „Pure Life“ soviel wie ein Liter Benzin.
In der Nähe der Pakistanischen Hauptstadt Lahore, die extrem unter Wasserknappheit leidet, hat Nestlé sogar eigene Tiefbrunnen zur Förderung von Grundwasser gebaut. Das wird hinter hohen Mauern nach westlichem Standart hygienisch einwandfrei abgefüllt. In den Dörfern der Umgbung sind inzwischen durch die damit verbundene Absenkung des Grundwasserspiegels die einst ohnehin spärlich fließenden Quellen versiegt. Ein Hilfsersuchen des Multis wurde abgelehnt….
Bei Nestlé wird das natürlich zutiefst bedauert; die Schuld an der misslichen Lage dem Unvermögen der jeweiligen Regierung zuge-schoben.
Nach dem Film „Bottled Life – Nestlés Geschäfte mit dem Wasser“ bleibt einem der nächste Schluck Sprudel im Hals stecken…
Auch Heidi Specognas „Carte Blanche“ hinterläßt ein mulmiges Gefühl. Geduldig folgt die renomierte Schweizer Dokumentarfilmerin und Dozentin an der Filmakademie Baden-Württemberg der mühseligen Kleinarbeit der Ankläger am Internationalen Gerichtshof Den Haag.
Am Beispiel der Kriegsverbrechen in Zentralafrika durch die Milizen des kongolesischen Befehlshaber Jean-Pierre Bemba. Mit betont und damit wohltuend zurückhaltender Kamera folgt Heidi Specogna den Recherchen, die vor allem dem exzessive eingesetzten Mittel der Vergewaltigung als preiswertem und äußerst effektivem Mittel der Kriegsführung auf der Spur sind.
Damit wurde ein archisches Gesellschaftssystem nachhaltig und auf Dauer beschädigt. Im Prozess gegen Bemba in Den Haag, in dem es um seine Schreibtischtäterschaft an den 2002 verübten Verbrechen geht, stellt sich ein neues juristisches Phänomen heraus. Das der „Carte Blanche“: in jüngeren kriegerischen Auseinandersetzungen werden direkte Befehle von „Oben“ zu Mord, Totschlag und Vergewaltigung vermieden. Den Soldaten wird vielmehr freie Hand gelassen bzw. nur indirekt Order erteilt. So lässt sich später immer sagen, die unteren Chargen hätten eigenmächtig gehandelt.
Es ist der Verdienst von Heidi Specogna, diese Ungeheuerlichkeit, mit der versucht wird, die Arbeit des Den Haager Gerichtshof zu unterlaufen, am konkreten Beispiel zu beschreiben. Auch das ein wichtiger Film!