Frankreich/Deutschland 2010
Regie: Bruno Chiche
Mit Gérard Depardieu, Alexandra Maria Lara, Francoise Fabian, Niels Arestrup
Kinostart: 16. Dezember 2010
Allein in Deutschland hat der Roman „Small World“ eine Auflage von über einer Million erreicht, mit dem der Schweizer Schriftsteller Marin Suter 1997 debutierte. Inzwischen ist Suter nicht nur als Buch-. sondern auch als Drehbuchautor bekannt geworden. In diesem Frühjahr erschien sein jüngster Roman „Der Koch“. „Small World“ wurde als deutsch-französische Koproduktion mit Gérard Depardieu in der Hauptrolle verfilmt. Sie startet diese Woche in den deutschen Kinos.
Es ist kalt: deshalb hat Konrad (Gérard Depardieu) den Kamin angeheizt. Weil er das Feuer mit etwas Benzin beschleunigte und es dann vergessen hat, ist die von ihm allein benutzte Ferienvilla des schwereichen Industriellenfamilie Senn abgebrannt. Konrad arbeitet für die Senns als eine Art Hausmeister. Einerseits immer nett und freundlich, befindet er sich anderseits im Stadium fortgeschrittener Demenz. Deshalb das Missgeschick mit dem Kaminfeuer. Daran stört ihn eigentlich nur, dass er jetzt kein Dach mehr über dem Kopf hat. Immerhin weiß Konrad noch, wo sich der Hauptwohnsitz seines Arbeitgebers befindet. Also macht er sich auf den Weg zu der feudalen Villa.
Konrad kommt ungelegen: Im Hause Senn wird die Hochzeit von Juniorchef Philippe (Yannick Renier) mit der schönen Simone (Alexandra Maria Lara gefeiert. Das gesamte zerstrittene Clan ist angereist. Die mühsam aufrecht erhaltene Kontenance gerät durch Konrad aus dem Lot. Trotz Demenz funk-tioniert sein Langzeitgedächtnis immer noch fabelhaft.
Besonders unangenehm ist Thomas (Niels Arestrup) von Konrads auftauchen berührt. Ebenso seine Mutter Elvira (Francoise Fabian), die greise, aber immer noch ziemlich rüstige Prinzipalin der Familie Senn. Die beiden wollen mit allen Mitteln verhindern, dass Konrad etwas ausplaudert, was sie seit Jahrzehnten als Geheimnis hüten.
Nicht immer Detailgenau, dafür aber in der Atmosphäre trefflich, wurde Martin Suters „Small world“ von Bruno Chiche verfilmt. Ganz der literarischen Vorlage verpflichtet, verzichtete der Regisseur auf filmische Experimente bei seinem Eintauchen in die Abgründe der Bourgeoisie. Chiche setzte auf seine exzellenten Schauspieler, die Suters Figuren zum Leben erwecken.
Vor allem Gérard Depardieu als Konrad. So nuanciert hat er schon lange nicht eine Rolle ausgefüllt. Große Auftritte haben Francoise Fabian und Niels Arestrup. In diesem hochkarätigen Ensemble macht auch die deutsche Schauspielerin Alexandra Maria Lara eine gute Figur. Dem Film „Small World“ gelingt es behutsam, die Erfahrungswelt eines Demenzkranken transparent zu machen und gleichzeitig die heiter sarkastische Note von Suters Buch zu erhalten. Diese Mischung gibt „Small World“ eine Qualität, die ihn sehenswert macht.
Der Film macht Lust, Martin Suters Roman – eben von Diogenes als Taschenbuch neu aufgelegt – wieder zur Hand zu nehmen. Es gibt „Small World“ inzwischen auch als Hörbuch (ebenfalls von Diogenes) auf fünf CDs – exzellent gelesen von Dietmar Mues.