Erst verhältnismäßig spät wurde das ganze Ausmaß der Verbrechen der Deutschen Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs offenbar. Vor allem in Osteuropa führte das NS-Regime einen Vernichtungskrieg. Daran waren sowohl die Angehörigen der regulären Truppen, aber auch Spezialeinheiten wie die „Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD“ beteiligt. Ideologisch und praktisch geschult, hatten sie den Auftrag im großen Stil Massenmorde zu begehen. Nachdem sie in Polen gewütet hatten, verlagerten sie ihre „Einsatzgebiete“ unter anderem in die Ukraine. In relativ kurzer Zeit wurden hier – immer mit Unterstützung der Wehrmacht – 150 000 Menschen, vorwiegend Juden erschossen. Auch Ukrainer selbst beteiligten sich an den Massakern. Als einer der ersten, hat der französische Priester Patrick Desbois dieses düstere Kapitel aufgearbeitet. In seinem Buch „Der vergessene Holocaust. Die Ermordung der ukrainischen Juden“ gibt er darüber Auskunft. 2008 hat der französische Dokumentarfilmer Romain Icard, Patrick Desbois, bei seinen Recherchen in der Ukraine begleitet. Der daraus entstandene Film „Shoah durch Erschießen. Einsatzgruppen in der Ukraine“ ist jetzt auf DVD von Absolut Medien veröffentlicht worden – im französisch-russischen Original mit deutschen Untertiteln.
Die erschütternde Erkenntnis ist nicht neu, dass von Wehrmachtsangehörigen und den sogenannten Einsatzgruppen der SS ab 1941 bis 1945 in großem Stil Massenmorde begangen wurden. Ebenso, dass sich daran vorwiegend keine pathologischen Schlächter, sondern „Ganz normale Männer“ beteiligt haben, wie Christopher R. Browning in seinem Buch über das „Reserve-Polizeibataillon 101“ schreibt. Auch die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ lieferte dazu eindrucksvolles Material. Die Forschungen von Patrick Desbois gehen über die historische Beschreibung weit hinaus. Er ist in der Ukraine unterwegs, um Augenzeugen zu finden, die noch aus eigener Anschauung von den Verbrechen berichten können.
Eine alte Frau erzählt, wie sie als Kinder zugesehen haben, wie die jüdischen Dorfbewohner von den Deutschen aus den Häusern geholt und zu vorbereiteten Massengräbern getrieben und erschossen wurden.
Desbois lässt sich zu den Gräbern führen und sie öffnen. Die Funde sind grauenvoll. „Shoah durch Erschießen“ ergänzt Desbois Buch „Der vergessene Holocaust“ und macht deutlich, das rund ein Drittel der sechs Millionen ermordeten Juden nicht in den Todeslagern wie Ausschwitz oder Sobibor umgekommen sind, sondern in ihren Dörfern und in Städten wie Minsk vor Ort von Wehrmachts-angehörigen ermordet wurden.
Ein anderer Zeitzeuge erinnert sich auch noch nach der langen Zeit daran, wie die Deutschen ins Dorf kamen und Jagd auf Juden machten, die Jahrhunderten hier gelebt hatten. Wie sich die gefangenen Juden nackt ausziehen mussten, bevor sie erschossen wurden. Aus den nur nachlässig zugschütteten Massengräbern flossen Blutrinsale.
Im Juli 1941 besuchte Heinrich Himmler, der Chef der SS, die Ukraine. Er inspirierte ein Kriegsgefangenenlager und eine Massen-erschießung. Anschließend meinte er, Erschießen sei nicht die humanste Tötungsmethode. Er meinte das natürlich nicht in Bezug auf die Opfer, sondern im Hinblick auf die nervliche Belastung der Täter. Obwohl sich die meisten Soldaten bereits nach kurzer Zeit an diesen Job gewöhnt hatten, kam es doch zu Ausfällen. Außerdem brauchten die Exekutionen zu viel Zeit und waren durch den Verbrauch der Munition zu teuer. Deshalb gab Himmler den Auftrag, effektivere Tötungsmethoden zu entwickeln. Das Ergebnis war der industrielle Massenmord mit dem Schädlingsbekämpfungsmittel Zyklon B. „Shoah durch Erschießen“ ist also kein vergnüglicher Film zur unbeschwerten Unterhaltung; sondern eine wichtige Geschichtsstunde über ein vielfach verdrängtes Kapitel des Holocaust…
Dafür lohnt es sich, 15 Euro auszugeben!