England 2011
Regie: Steve McQueen
Mit Michael Fassbender, Carey Mulligan
Kinostart: 1. März 2012
Der vielseitige englische Medienkünstler Steve McQueen erregte 2008 mit seinem Spielfilmdebut „Hunger“ über das Ende des IRA-Aktivisten Bobby Sands in einem englischen Gefängnis internationales Aufsehen. Auch der Hauptdarsteller Michael Fassbender wurde durch die Kraft seiner Darstellung über Nacht berühmt. Bei den letztjährigen Filmfestspielen von Venedig präsentierte McQueen seinen nicht weniger radikalen neuen Film „Shame“ – ebenfalls mit Fassbender in der Hauptrolle, der dafür als bester Darsteller ausgezeichnet wurde.
Brandon ( Michael Fassbender) joggt bis an die Schmerzgrenze: Er ist ein gut aussehender Mann in den besten Jahren: zum perfekten Äußeren passt der Beruf als erfolgreicher Manager in einer vornehmen Immobilienfirma in Manhattan. Auch sein schickes Appartement in bester Lage, lässt keine Wünsche offen. Keine Frage, dass Frauen Brandon zu Füßen liegen.
Nach dem sie die Nacht mit ihm verbracht haben, schickt Brandon die jeweiligen Damen am nächsten Morgen gleich nach dem Aufwachen ziemlich rüde aus seiner Wohnung. Nicht weil er ein missmutiger Morgenmuffel wäre, sondern weil er körperliche Nähe nur beim Sex erträgt. Ansonsten wehrt Brandon zwischenmenschliche Beziehungen, Liebe und Zärtlichkeit vehement ab.
In seinem Fühlen und Denken gibt es nur eins: Sex. Ob zu Hause unter der Dusche oder während der Arbeit zwischendurch auf der Toilette, Brandon masturbiert, nachdem er sich durch Porno-Illustrierte oder entsprechende Seiten im Internet angetörnt hat. Je perverser, desto lieber. Abends dann der brutale One-Night-Stand mit weiblichen Zufallsbekanntschaften. Regisseur Steve McQueen mutet dem Zuschauer in „Shame“ einiges zu. Gnadenlos entführt er in die seelischen Abgründe einer reduzierten Persönlichkeit. Allerdings ohne dass daraus selbst Pornographie geworden wäre. In eiskalten Bildern folgt McQueen einem Gehetzten, der spürt, wie er die Kontrolle über seine manische Sexfixierung zu verlieren droht. Als bei der Wartung seines Firmencomputers Pornografie die Masse auf der Festplatte entdeckt wird, löst das bei Brandon Panik aus. Sein Zusammenbruch kündigt sich an.
Das „Shame“ als Psychogramm einer gestörten, zutiefst unglücklichen Persönlichkeit funktioniert, der immer vergeblicher um eine gesellschaftlich kompatible Fassade kämpft, ist auch ein Verdienst des Schauspielers Michael Fassbender. Er sagt zu den Herausforderungen bei der Rolle des Brandon:
Ich denke, er ist eine sehr typische Persönlichkeit unserer Zeit. Die Menschen neigen zur Ichbezogenheit, auch zur Schamlosigkeit. Um seine reduzierte Wahrnehmung zwischenmenschlicher Signale darzustellen, musste ich mich in jeder Beziehung entblößen…
Die enorme darstellerische Leistung in „Shame“ macht Michael Fassbender endgültig zu einem ganz großen Schauspielern unserer Zeit. Allein er lohnt den Besuch dieses Ausnahmefilms, der einen so schnell nicht los lässt!