Deutschland 2009
Regie: Boris Hars-Tschachotin
Kinostart: Februar 2012
Der russische Naturwissenschaftler Sergej Stepanowitsch Tschachotin lebte von 1883 bis 1973 und ist heute nur noch Wissenschaftsforschern und Historikern ein Begriff. Als Biologe brachte er mit bahnbrechenden Forschungen in St. Petersburg und Heidelberg die moderne Genetik auf den Weg. Hellsichtig sah Tschachotin um 1930 aber auch die Gefährdung des Weltfriedens durch den Nationalsozialismus und gehörte zu den Mitbegründern der „Eisernen Front“, die vergeblich versuchte, die Massen gegen die Politik Adolf Hitlers zu mobilisieren. Kritisch sah er auch Stalin. Das hatte zur Folge, dass der Kosmopolit die meiste Zeit seines Lebens in der Emigration verbrachte. Sein in Tübingen geborener Urenkel Boris Hars-Tschachotin hat einen bereits mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm über Sergej Stepanowitsch Tschachotin gedreht. Zu dessen ungewöhnlicher Persönlichkeit passt der ungewöhnliche Titel „Sergej in der Urne“.
Seit 30 Jahren steht die Urne mit Tschachotin Asche auf dem Vertiko im Pariser Wohnzimmer seines Sohnes Eugene, Jahrgang 1922. Warum sie nicht längst in Korsika beigesetzt wurde, hat mit den komplizierten Familien-Verhältnissen zu tun. Der geniale Wissenschaftler, Kosmopolit und Friedensaktivist war fünf Mal verheiratet und hat sieben Söhne, von denen vier noch leben.
Zu den Eigenarten Tschachotins gehörte, dass er nach dem Scheitern der jeweiligen Ehen, den jeweils jüngsten Sohn zu sich genommen hat. Solange bis dann der nächste aus der nächsten Ehe kam. Kein Wunder, das sich die vier Halbbrüder nicht sonderlich schätzen. Ein Grund, warum Vaters Asche immer noch nicht beerdigt wurde. Man kann und will sich über das Procedere nicht einigen.
Die radikale Charakterisierung Tschachotins, durch seinen Sohn Wenja, der in Deutschland lebt. Er ist der Großvater des Filme-machers Boris Hars-Tschachotins, der sich für seine Dokumentation „Sergej in der Urne“ auf Spurensuche nach dem Wesen und der Wirkung seines Urgroßvaters Sergej Stepanowitsch Tschachotin begeben hat. Ein genialer Forscher, der mit seiner experimentellen Zellforschung und der Erfindung des Strahlenskalpells zu den Wegbereitern der modernen Genetik gehört.
Ulrich Mattes liest aus dem unveröffentlichten Manuskript von Tschachotins Autobiographie. Illustriert mit Archivaufnahmen, eine weitere dramaturgische Ebene des Films. In der Kombination mit den Interviews, die der Enkel mit den Großvätern über den Urgroßvater geführt hat, gelang die Innenansicht der Familie eines Genies.
In Sergej Stepanowitsch Tschachotins Biographie spiegeln sich sowohl die wissenschaftlichen, als auch die politischen Auf-und Umbrüche des 20. Jahrhunderts wieder. In diesem originellen Dokumentarfilm erleben wird aus der Perspektive der Söhne hinter dem genialen Denker auch den Menschen Tschachotin und das macht ihn ungewöhnlich spannend!