Der deutsche Film boomt! Allerdings nur begrenzt an der Kinokasse – da zeigt sich, das sich die jährlich gemeldeten Zuwachsraten deutscher Produktionen in der Besuchergunst auf ein oder zwei Filme beschränken – im vergangenen Jahr waren das die schlichten Komödien „Kokowääh“ und „What a Man“ mit jeweils über fünf Millionen Besucher. Der große Rest findet trotz Auszeichnungen und in den Feuilletons nur bedingt ein Publikum. Selbst bei Filmen renommierter Regisseure kann es vorkommen, dass nur 30 000 Besucher dafür eine Kinokarte kaufen. Ein ernstes Problem, das diese Woche auch beim „8. Festival des deutschen Films“ in Ludwigshafen diskutiert wird: „Schuld sind immer die Anderen“ heißt da fast programmatisch einer der Filme, die sich um „Filmkunstpreis 2012“ bewerben, der am Sonntag zum Finale des Festivals verliehen wird.
Da kommt selbst ein erfahrener Filmverleiher wie Torsten Frehse ins Staunen: an einem ganz normalen Donnerstagnachmittag bei schönstem Sommerwetter stehen auf der Ludwigshafener Parkinsel 1200 Besucher an, die den Film „Bis zum Horizont – Dann links“ sehen wollen. Frehse wird die schräge Seniorenkomödie am 12. Juli in seinem „Neue Visionen“-Filmverleih in den deutschen Kinos starten. Obwohl er da mit zwei französischen und einer amerikanischen Komödie konkurriert, stehen die kommerziellen Chancen für „Bis zum Horizont – Dann links!“ nicht schlecht: die Besetzung ist mit Otto Sander, Angelica Domröse, Herbert Feuerstein und Anna Maria Mühe vom Feinsten und Regisseur Bernd Böhlich hatte noch nie Probleme, ein großes Publikum zu erreichen. Trotzdem betrachtet Verleiher Torsten Frehse die deutsche Filmlandschaft mit Sorge. Junge Talente drohen auf der Strecke zu bleiben…
Eine kluge Verleihpolitik und ein Gespür für die richtigen Filme zur rechten Zeit, haben aus Torsten Frehses „Neue Visionen“-Filmverleih ein solides Unternehmen für anspruchsvolle und gleichzeitig an der Kinokasse erfolgreiche Filme gemacht. Aber auch seine Möglichkeiten sind nicht unendlich…
„Schuld sind immer die Anderen“ heißt der Diplom-Film von Lars-Gunnar Lotz an der Filmakademie Baden-Württemberg. Er wurde vom SWR, von Arte und der Ludwigsburger Nachwuchs-Produktionsfirma FFL koproduziert. Das Portrait eines jugendlichen Täters, der mit Schuld und Sühne leben muss, weist den Regisseur als großes Talent aus. Er ist dafür vom Studio Hamburg kürzlich mit dem Nachwuchspreis für die beste Regie ausgezeichnet worden. Beim Filmfest Emden bekam er vor 14 Tagen ebenfalls den Regie- und auch den Publikumspreis des Festivals. Großer Applaus und ausverkaufte Vorstellungen Anfang der Woche in Ludwigshafen. Aber einen Verleih, der „Schuld sind immer die Anderen“ in die Kinos bringen würde, hat der junge Regisseur bisher nicht gefunden. Nach den Festivalerfolgen haben inzwischen doch erste Sondierungsgespräche stattgefunden….
Immerhin hat „Schuld sind immer die Anderen“ Anspruch auf einen festen Sendeplatz in der SWR-Reihe „Debut im Dritten“ und auf Arte, aber eine vorherige Kinoauswertung wäre gerade bei dieser nüchternen Beschreibung von Jugendkriminalität nützlich und der weiteren Karriere von Lars-Gunnar Lotz und seinem ebenfalls hochtalentierten 18jährigen Noch-Laien-Darsteller Edin Hasanovic mehr als förderlich. Kinofilme bespricht das Feuilleton, im Fernsehen versendet sich doch manches. Wie dem Nachwuchs besser geholfen und gleichzeitig das Filmangebot in den Kinos vor dem Kollaps bewahrt werden kann, ist die große Herausforderung an die deutsche Filmbranche in der nächsten Zeit…