Die Kooperation zwischen Arthaus/Kinowelt und dem SPIEGEL scheint sich zu lohnen: immer neue „Collectionen“ werden gemeinsam ediert. Arthaus hat die Möglichkeit Kostbarkeiten aus der großen Kinowelt-Bibliothek neu- und vor allem wieder aufzulegen, das Magazin – insbesondere sein Ableger „Kultur-SPIEGEL“ – sorgt für eine seriöse Werbeplattform. Das Model hat inzwischen viele Nachahmer gefunden. Jetzt gibt es die „Arthaus-SPIEGEL Collection Klassiker 2“. Neben populären Meilensteinen der Filmgeschichte wie „Der dritte Mann“, „Das siebente Siegel“ oder „Der große Diktator“, die inzwischen in diversen DVD-Ausgaben vorliegen, enthält die neue Klassiker-Collection auch eine Reihe rarer Meisterwerke, nach denen man bisher suchen musste.
Zum Beispiel „Cat People/Katzenmenschen“ von Jacques Tourneur aus dem Jahr 1943.
Mit „Cat People“ schufen der Regisseur und sein innovativer Produzent Val Lewton einen neuen Typ des Horrorfilms: das Unheimliche niestet nicht mehr weit weg, sondern mitten in New York. Im Zoo am Tigerkäfig lernen sich Irena und Oliver kennen. Die große Liebe. Die beiden heiraten. Doch da fallen Schatten auf das junge Glück. Irena verwandelt sich in ein Monster. Der Schrecken nimmt seinen Lauf…
Mit „Cat People“ gilt als Schlüsselwerk des modernen Terrorfilms, bei dem das Böse unverhofft in eine vermeintlich „heile“ Welt einbricht. Dabei liegt die besondere Raffinesse des Films in seiner stilbildenden Schwarz-weiß-Dramaturgie, die ohne drastische Schockmomente auskommt, wie man sie aus neueren Produktionen dieses Genres kennt. Produzent Val Lewton sagte dazu:
„Das Geheimnis ist: Wenn man die Leinwand nur dunkel genug macht, wird das innere Auge des Betrachters dort alles erblicken, was er sich wünscht. Die Horror-Süchtigen werden diese Finsternis mit mehr Horror füllen, als sich alle Horror-Autoren in Hollywood nur ausdenken könnten!“
Das ist ein Zitat aus dem Booklett zur DVD „Cat People“/Katzenmenschen“. Alle DVDs der Collection sind entsprechend ausgerüstet. Kompetent geschrieben, geben sie eine Einführung zum jeweiligen Film und zu seinen Machern.
Keine Rarität, aber ein erstaunlicher Film: „It’s a wonderful life/Ist das Leben nicht schön“ von 1946. Außerhalb des traditionellen Weihnachtsprgramms im Fernsehen betrachtet, verblüfft die zeitlose Modernität von Frank Capras Klassiker stets aufs Neue. In einer erbarmungslosen Welt hat der Himmel ein Einsehen und schickt einen Helfer. Der gehört zwar nicht zu den Geschicktesten in seinem Metier, aber er kann den depressiven Gutmenschen George Bailey schließlich doch vom Selbstmord abhalten.
Bei seiner Uraufführung dramatisch gefloppt, wurden die Qualitäten von „It’s a wonderful life“ erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als außerordentliche Beschreibung eines Lebens in der Krise entdeckt. Die auf den ersten Blick hemmungslose Naivität stellt sich als bitterböse Raffinesse heraus. Nicht weit entfernt vom „Film Noir“ in den 1940er Jahren.
Mit „They live by night/Im Schatten der Nacht“ debutierte Nicholas Ray 1948 als Regisseur und drehte damit gleichzeitig ein Schlüsselwerk der „Schwarzen Serie“ und einen Vorläufer seines berühmtestem Films „denn sie wissen nicht, was sie tun“:
Der junge Bowie ist mit zwei anderen aus dem Gefängnis ausgebrochen. Auf der Flucht finden sie bei Keenchie Unterschlupf – einem Teenager in ihrem Alter. Eine tragische Amour fou beginnt, die keine Zukunft haben wird. Auch „They live by night“ handelt von Verhältnissen, in der nur Anpassung zählt und der Einzelne mit seinen Ängsten und Sehnsüchten jämmerlich zu Grunde geht. Es kommen eben doch keine Engel zu Hilfe…
Angesichts der ganzen Ungerechtigkeit in der Welt, liegt die Konsequenz nahe, dem Glück selbst Nachdruck zu verleihen. Das tut Louis in „King Hearts and Coronts/Adel verpflichtet“ von Robert Hamer – ebenfalls 1948 entstanden.
Louis ist eigentlich von blauem Geblüt. Nur weil seine Mama einen Fehltritt beging, blieb ihm bisher ein aristokratisches Leben in angemessenem Luxus verwehrt. Er beschließt, den unwürdigen Zustand zu ändern. Nach und nach räumt Louise die so lästigen wie arroganten Mitglieder seiner Familie aus dem Wege, die seinen Aufstieg behindern. Leider landet er damit fast am Galgen.
„Adel verpflichtet“ beginnt und endet im Stil eines „Film noir“ – dazwischen ist er eine der bösesten Komödien der Filmgeschichte. Spektakulär die schauspielerische Leistung von Alec Guinnes, der hier acht verschiedene Rollen spielt.
Ebenfalls eine lohnende Entdeckung in der „Arthaus Klassiker Collection 2“ ist – wenn man ihn noch nicht kennt – „Peeping Tom“ von 1960. Damit haben sowohl Regisseur Michael Powell als auch Hauptdarsteller Karlheinz Böhm nachhaltig ihre Karrieren ruiniert: Powell wurde als Regisseur farbschöner Musikfilme („Die roten Schuhe“), Böhm als sanfter „Sissi“-Gatte geschätzt. Dann drehten sie gemeinsam einen Horrorfilm, wie man ihn bis dahin nicht gesehen hatte. Die Geschichte eines Serienkillers.
Hinter der Maske eines Biedermanns versteckt sich bei Mark Lewis ein Fall für die Psychiatrie. Seine Obsession besteht darin, Frauen zu filmen, während er sie ermordet. Durch eine subtile Dramaturgie wird der Zuschauer unversehens zum Komplizen des Täters, zum Voyeur. Das verschreckte bei der Uraufführung von „Peeping Tom“ derart, dass Michael Powell keinen weiteren Film drehen konnte und sein Hauptdarsteller Karlheinz Böhm über zehn Jahre warten musste, bis ihn Rainer Werner Fassbinder aus der Versenkung holte. Inzwischen steht der Rang von „Peeping Tom“ als Meisterwerk außer Frage.
Außerdem in der „Arthaus Klassiker Collection 2“ Fellinis selten gezeigter „Die Nächte der Cabiria“, Lubitsch „Sein oder Nichtsein“, „Das siebente Siegel“ von Ingmar Bergman und „Der große Diktator“ von Charles Chaplin. Alle Klassiker in optimaler technischer Qualität in ansprechender Verpackung. Alle 10 DVDs kosten im Schuber zirka 95 Euro, Einzeln jeweils rund 12 Euro.