Persönliche Tragödien haben den inzwischen 79jährigen Regisseur sein Leben lang begleitet – von einer Kindheit unter dem antsemitischen Terror der Nationalsozialisten in Krakau während des Zweiten Weltkriegs – die Mutter wurde in Auschwitz ermordet, über den Mord an seiner Frau Sharon Tate durch Anhänger des Sektenführers Charles Manson 1969 bis zu den traumatischen Folgen von Polanskis Vergewaltigung einer Minderjährigen über mehrere Jahrzehnte. Zwangsläufig finden sich Verweise darauf mehr oder weniger ausge-prägt in allen seinen Filmen. In den letzten Wochen ist Polanskis bislang letzter Film „Der Gott des Gemetzels“ (2011) und seine beiden ersten Filme „Das Messer im Wasser“ (1962) und „Ekel“ (1965) auf DVD erschienen. Ein interessanter Vergleich bietet sich an….
Eigentlich hätte man von Roman Polanski nach seiner monatelangen Inhaftierung bzw. seinem Hausarrest etwas Anderes als Verfilmung einer bissigen Boulevard-Tragikomödie erwartet. Doch bei genauerem Hinsehen ist „Der Gott des Gemetzels“ ein typischer Polanski-Film: eine Scheinnormalität gerät außer Kontrolle, weil die Menschen die Nerven verlieren. Die Eskalation führt nur knapp an Mord und Totschlag vorbei. Alles fängt ganz harmlos an – wie immer bei diesem Regisseur. Eine alltägliche Rangelei unter Schulbuben. Sie wäre längst vergessen, wenn sich nicht die Eltern einmischen würden. Pädagogisch versiert, trifft man sich zu einem klärenden Gespräch bei den Longstreets (Jodie Foster/John C. Reilly), den Eltern des Opfers.
Er besteht Übereinstimmung, dass die Tat nicht schön, aber auch nicht weltbewegend ist. Damit könnte die Angelegenheit abgeschlossen sein und man könnte zur Tagesordnung übergehen. Doch irgendwie finden Nancy (Kate Winslet) und Alan Cowan (Christoph Waltz) – die Eltern des Schlägers – nicht den Abgang. Es besteht anscheinend weiterer Klärungsbedarf. Dummerweise tragen Alan Cowans andauernde Handy-Telefonate – er ist Anwalt – zur Verschleppung des Gesprächsverlaufs bei. Der alsbald bald bei der Erörterung grundsätzlicher Erziehungsfragen angekommen ist – die ins Persönliche gehen.
Nancy hat einen schwachen Magen, auch Cola hilft nicht. Vielmehr wird der extrem wertvolle Kokoschka-Katalog auf dem Couch-Tisch in Mitleidenschaft gezogen. Jetzt sind nicht nur magenmäßig, sondern mental alle Dämme gebrochen: nicht nur die beiden Paare, sondern auch die Ehepartner fallen erst verbal und dann auch noch nonverbal über einander her.
Da zeigt sich der Meister, der aus einem eleganten Theaterstück einen großen Film macht: Wobei ihm mit Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz und John C. Reilly auch ein großartiges Ensemble zur Verfügung stand. Die DVD und die Blu-ray gibt es von Constantin. Im Bonusteil Interviews mit den vier Hauptdarstellern…
Die Präsentation seines ersten abendfüllenden Spielfilms „Das Messer im Wasser“ bei den Filmfestspielen in Venedig 1962 machte Roman Polanski international bekannt. Das frühe Meisterwerk des Regisseurs, das er in Polen realisierte, gibt es jetzt neu von Pierrot le fou in einer sehr schönen DVD-Edition. Der Vergleich mit „Der Gott des Gemetzels“ zeigt viele Gemeinsamkeiten – obwohl beide Filme im Prinzip nicht vergleichbar sind.
Gespannte Atmosphäre zwischen Andrzej, dem erfolgreichen Sportjournalisten und seiner Frau Krystyna: sie sind auf der Fahrt zu einem Wochenend-Bootstripp auf den Masurischen Seen, als sich ihnen ein Anhalter dreist in den Weg stellt. Sie nehmen ihn mit. An Bord des Segelboots eskaliert die Spannung zwischen den Dreien…
Dann fällt erst Messer des jungen Mannes aus Versehen mit Willen über Bord, dann er selbst bei einer Prügelei mit Andrzej geht über Bord – angeblich kann er nicht schwimmen. Erschrocken macht sich Andrzej auf, um Hilfe für den Vermissten, womöglich Ertrunkenen zu holen. Der hat sich aber an einer Boje festgehalten, kommt wieder an Bord und der frustrierten Krystyna näher…
Polanski hat das Drehbuch zu „Das Messer im Wasser“ bereits als Filmstudent geschrieben. Die Dreharbeiten waren schwierig und wurden von der polnischen Zensur argwöhnisch verfolgt. Der fertige Film kam kaum in die Kinos. Ganz anders im Westen, wo Polanski als großes Nachwuchstalent gefeiert wurde. Davon berichtet die Dokumentation im Bonusteil der DVD: „A ticket tot he west“, in der Polanski rückblickend vom Beginn seiner Karriere erzählt.
Neben Polanski berichten auch andere polnische Regisseure über die schwierige Lage der Filmemacher hinter dem Eisernen Vorhang um 1960. Eine aufschlussreiche Dokumentation, die erklärt, warum Roman Polanski bei erster Gelegenheit seinem Heimatland den Rücken zu kehrte. Trotz des auch kommerziellen Erfolgs von „Das Messer im Wasser“ dauerte es drei Jahre, bis er in England einen weiteren Film realisieren konnte: „Repulsion/Ekel“.
Bereits in seinem zweiten Film widmete sich Roman Polanski einer Welt am Abgrund – aus der Perspektive einer Borderline-Persönlichkeit. Die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit ver-schwimmen für Carol, einer jungen Frau, deren Leben von Zwängen beherrscht wird. Dass ihre Schwester Helen eine feste Beziehung zu einem Mann hat, ist für sie nahezu unerträglich.
Als die Schwester mit ihrem Lover verreist, bricht für Carol eine Welt zusammen – ihre Ängste manifestieren sich in Wahnvorstellungen, die schließlich von ihr nicht mehr kanalisiert werden können. Auch in ihrem Sozialverhalten wird Carol auffällig…
Wie Polanski in „Ekel“ das Zerbrechen einer Persönlichkeit schildert, hat Filmgeschichte und die Schauspielerin Catherine Deneuve weltberühmt gemacht. Ein Schlüsselwerk des modernen Films: jetzt in einer 3-Disc-Edition mit DVD und Blu-ray ebenfalls von Pierrot le fou.
Die Extra-DVD enthält eine umfangreiche Dokumentation über den Britischen Horrorfilm und die Art und Weise, wie Polanski die Stilmittel in „Ekel“, später auch in „Der Mieter“, „Rosemaries Baby“ und „Tanz der Vampire“ benutzte. Außerdem ein aufschlussreiches Interview mit dem Kameramann Stanley Long. Natürlich enthalten alle drei DVDs mit den Polanski-Filmen neben der deutschen Fassung auch die jeweilige Originalfassung. „Der Messer im Wasser“ und „Ekel“ sind digital remastert worden. Sie kosten 15, die Blu-ray von „Gott des Gemetzels“ 17, „Das Messer im Wasser“ ebenfalls 15, die 3-Disc-Edition von „Ekel“ 22 Euro.