Benoit Jacquots Chantal Thomas-Verfilmung in Berlin
In Frankreich erregte die Literaturwissenschaftlerin Chantal Thomas 2002 mit ihrem Roman-Debut „Les adieux à la reine“ (Deutsch unter dem Titel „Leb wohl, Königin“ bei Klett-Cotta erschienen) beträchtliches Aufsehen und wurde mehrfach ausgezeichnet. Die Autorin festigte damit ihren Ruf als Expertin für das 18. Jahrhundert. Sie hat über de Sade und Casanova geschrieben. Regisseur Benoit Jacquot gilt als solider Handwerker, der auch im Kostümfilm zu Hause ist. Man konnte also davon ausgehen, dass er Thomas Buch mit seiner interessanten Perspektive angemessen verfilmen würde.
Gerade die Vorgaben der Autorin – Weltgeschichte aus der Küchenperspektive – erwiesen sich bei der Verfilmung als Stolpersteine. Die Geschichte spielt ausschließlich aus der Dienstbotenperspektive im inneren Bezirk des Schlosses von Versailes während der letzten Stunden vor dem Ausbruch der Französischen Revolution im Juli 1789. Benoit Jacquot musste sich also zwangsläufig auf ein Kammerspiel im wahrsten Sinne des Wortes beschränken bzw. auf die langen Korridore von Versailles.
Dem wußte er wenig abzugewinnen. Ebenso dem durchaus reizvollen Beziehungsreigen im Umfeld von Marie Antoinette. Ihre bürgerliche Zofe bzw. Vorleserin als Repräsentantin eines neuen Bürgertums wusste der Regisseur ebensowenig dramaturgisch zu nutzen, wie die geschlossene Gesellschaft der Domestiken.
Deshalb wirkt das Ganze auf Dauer so schläfrig, wie die Atmosphäre am Hofe Ludwigs XVI. – vor dem grossen Sturm. Diane Krugers Schlafzimmerblick trägt zudem nicht zu mehr Munterkeit bei. Im Gegenteil: die engen Grenzen ihres schauspielerischen Vokabulars wurde angesichts ihrer Marie-Antoinette nicht zum ersten Mal offenbar. „Les adieux à la reine“ gehört zur Sorte der Filme, die die Welt nicht zwingend braucht…
Benoit Jacquot befindet sich dabei übrigens in bester Gesellschaft: die „Marie Antoinette“ seiner Kollegin Sofia Coppola von 2006 war auch keine Offenbarung….