Ein ungewöhnlicher Fund aus den Schätzen der „Deutschen Kinemathek“ ist gewissermaßen als Fußnote zum UFA-Jubiläumsjahr aus dem Berliner Filmhaus am Potsdamer Platz heraus veröffentlicht worden. Eigentlich sollte das „Wörterbuch des Films“ bereits 1943/44 erscheinen. Doch dazu kam es nicht. Ein Teil der Druckfahnen hat das „Dritte Reich“ überlebt und ist mit umfangreichen Vor-und Nachworten versehen jetzt im kleinen Neofelis Verlag erschienen.
Ein Kuriosum. Da zieht sich ein altgedienter Nazi, der bereits beim Kapp-Putsch mitgemischt hat, in einen „Elfenbeinturm“ zurück und pusselt an einem Filmlexikon, während draussen die Welt untergeht. Dem fast habilitierten Zeitungswissenschaftler Traub (1901-1943) scheint die „Götterdämmerung“ des Regimes bewusst gewesen zu sein, wie Rainer Rother in seinem aus-führlichen Vorwort im Hinblick auf Tagebuch-Eintragungen belegt.
So gehört Traubs „Würdigung“ des „Expressionismus“ zu den interessantesten Stichwörtern seines „Wörterbuchs“: um Sachlichkeit bemüht, wird Robert Wiene und „Das Kabinett des Dr. Caligari“ erwähnt, ihr Einfluss auf den Fortgang der Filmgeschichte zumindest angedeutet. Damit setzte sich Traub gegenüber der offiziellen NS-Linie ab. Er dachte dabei wohl bereis an morgen….
Rainer Rother und Ulrich Döge, der sich ausführlich mit Traubs Karriere beschäftigt, würdigen Hans Traub als unermüdlichen Pionier der Filmwissenschaft unter dem Hackenkreuz: „Mit seinen (…) Studien hatte sich Traub schnell als ein Experte für die Erforschung der künstlerischen wie der gesellschaftlichen Relevanz des Films erwiesen“ (Rother). Er meint damit Traubs in den 1930er Jahren erschienen Bücher „Der Film als politisches Machtmittel“ (1933) oder „Als man anfing zu filmen“(1934). 1943 lieferte Traub zum 25jährigen UFA-Jubiläum das offizielle Buch „Die UFA. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Filmschaffens“. Man würde sie gerne lesen, um mehr über diesen Hans Traub als nationalsozialistischen Filmpublizisten zu erfahren. Sein artig zusammen getragenes, nur rudimentär erhaltenes „Wörterbuch“ gibt darüber nur bedingt Aufschluss.
Die Herausgeber fassen ihn – wohl auch mit Rücksicht auf die Nachlass-Geber -mit Glacé-Handschuhen an. Dabei ist der aus rechtskonservativen Hause stammende Pfarrerssohn typisch für jene akademisch gebildete NS-Elite, die das verbrecherische Regime mit Rat und Tat auf dem Weg zum Völkermord von ihren Schreibtischen aus stützte. Der emsige Archivar Traub hatte allerdings das Pech, das ein anderer, ebenso emsiger Archivar seine jüdische Großmutter entdeckte, was seinen Aufstieg zeitweilig ausbremste.
Dank guter Kontakte zur UFA-Spitze und seiner, beim Kapp-Putsch erworbenen Meriten, durfte Traub weiterhin sein pseudo-filmwissenschaftliches Steckenpferd reiten, in Babelsberg eine „UFA-Lehrschau“ einrichten, mit der er den Grundstock für ein „Institut für Filmkunde“ legen wollte.
Wäre Hans Traub nicht 1943 gestorben, hätte er vermutlich in der Westdeutschen Nachriegsdeutschland genauso reüssiert wie seine Nazi-Kollegen Oskar Kalbus, Curt Belling oder Erwin Goeltz.
So gehört Hans Traubs „Wörterbuch des Films“ zur Abteilung „Kuriosa“ und ist mit 36€ nicht zu teuer bezahlt.