Originaltitel: Ha-Shoter
Israel 2012
Regie: Nadiv Lapid
Mit Yiftach Klein, Yaara Pelzig, Michael Mushonov
Kinostart: 24. Oktober 2012
Zu den erstaunlichsten Seiten der zeitgenössischen Kultur in Israel gehört der Film des Landes, der in großem Stil aus Steuermitteln subventioniert wird. Dabei setzten sich die Regisseure äußerst kritisch mit den gesellschaftspolitischen Verhältnissen im Land auseinander. Dabei haben keine Berührungsängste heiklen Themen gegenüber. Zum Beispiel dem undurchsichtigen Polizeiapparat gegenüber und seinen rabiaten Methoden der Einschüchterung in den von Israel annektierten Gebieten. Aber auch wenn es darum geht, tatsächliche oder vermeintliche Terroristen „auszuschalten“. Davon handelt „Policeman“ von Navid Lapid, der bei den diesjährigen Filmfestspielen von Locarno mit dem „Großen Preis der Jury“ aus-gezeichnet wurde. Ab morgen ist „Policeman“ auch in deutschen Kinos zu sehen.
Wochenende in Israel: Yaron und seine Kollegen von einer Anti-Terroreinheit der Polizei haben frei und sich einen Montainbike-Trip in die Umgebung von Tel Aviv gegönnt. Fünf durchtrainierte junge Männer, die sich als Stützen und Schutzschild des Israelischen Staates gegen seine arabischen Feinde verstehen. Eine verschworene Gemeinschaft. Man ist deshalb auch privat am liebsten unter sich. Selbst beim nachmittäglichen Barbecue üben sich die Männer im Muskelspiel, um ihren Familien zu imponieren: Korpsgeist in jeder Beziehung: auch dann, wenn ein Mitglied der Spezialeinheit bei einem Routine-Einsatz aus Versehen eine ganz Palästinenserfamilie erschossen hat.
Die Polizisten lassen ihren Kumpel Ariel nicht im Regen stehen und übernehmen gemeinsam die Verantwortung für das Massaker. Zumal der an Krebs erkrankte Ariel kein Disziplinarverfahren zu erwarten hat.
Zur selben Zeit ist eine Gruppe junger Leute – allesamt aus wohlhabenden israelischen Familien – in der Umgebung von Tel Aviv unterwegs und veranstaltet Schießübungen. Ähnlich wie die RAF in der Bundesrepublik der 1970er Jahre wollen sie die herrschenden Verhältnisse in Israel mit Gewalt verändern.
In einem Manifest, das die Öffentlichkeit aufrütteln soll, macht die resolute Sprecherin der Gruppe auf die Kluft zwischen Arm und Reich in Israel hat – dem Land mit den weltweit meisten Millionären im Verhältnis zur Bevölkerung.
Bei einer Nobelhochzeit machen die jungen Leute Ernst und entführen den Bräutigam und seine Eltern. Die Gruppe ist der Polizei nicht unbekannt und seit Langem ein Dorn im Auge – trotz ihres dilettantischen Vorgehens. Yaron und seine Einheit sollen dem Kidnapping ein Ende machen. Mit denselben Methoden, die sie auch gegenüber den äußeren Feinden Israels anwenden: in dem die Täter mit gezielten Schüssen „neutralisiert“…
Selten bekommt man einen Film zu sehen, der so präzise die Spannungen innerhalb der israelischen Gesellschaft formuliert: „Policeman“ zeigt, dass die äußere Bedrohung des Staates Israel durch die arabische Welt von den Politikern des Landes gerne benutzt wird, um von den enormen innenpolitischen Problemen abzulenken.
Regisseur Nadiv Lapid verzichtet auf plakative Effekte, um zu zeigen, wie diese Schwarzweißmalerei immer weniger verfängt. Ohne viele Worte macht er das an den Polizisten deutlich, die angewiesen werden, nicht Palästinenser, sondern Landsleute zu exekutieren.
Bei „Policeman“ handelt es sich um das Regie-Debut des Journalisten und Schriftstellers Nadiv Lapid. Ihm ist ein Film gelungen, der unter die Haut geht. Detailgenau und ohne dramaturgische Mätzchen. Ein Beispiel dafür, dass innerhalb der israelischen Gesellschaft in einer Offenheit über Probleme diskutiert wird, wie es selbst in Europa nicht immer selbstverständlich ist. Damit der unmittelbare Eindruck nicht verloren geht, wurde „Policeman“ nicht deutsch synchronisiert, sondern kommt in der untertitelten Originalfassung in unsere Kinos…