Ein Fehltritt mit einer Jugendlichen in den 1970er Jahren verfolgt den Regisseur Roman Polanski bis heute. Höhepunkt der Affäre: vor zwei Jahren wurde er deswegen in Zürich verhaftet und Monate lang fest-gehalten. Bis die Behörden einlenkten. Bisher hat sich der prominente Regisseur verbal zu seiner Schuld bekannt, in seinen Filmen der letzten Zeit dazu nicht Stellung genommen. Heute hat zum Abschluss der diesjährigen Filmfestspiele von Cannes Polanskis neuer Film „Venus in fur/Venus im Pelz“ Premiere. Erste Eindrücke nach der Pressevorführung.
Da steht er nun, der arme Mann: mit einem Hundehalsband angekettet an die Attrappe eines Säulenkaktus auf einer Theaterbühne. Die Dame, die ihm das angetan hat, ist verschwunden: Vorher hat sie noch mokant gelächelt und gesagt: „Oh ein Phallus-Symbol“. Für den Schluss von „Venus im Pelz“ hat sich Roman Polanski also ein Bild von hoher Symbolkraft ausgedacht.
Der Film basiert mehrfach verfremdet auf dem gleichnamigen Skandalbuch des Publizisten Leopold von Sacher-Masoch, der damit um 1870 den Begriff „Masochismus“ prägte. Daraus hat Polanski einen aufregenden, in jeder Beziehung perfekten Parforce-Ritt durch die Tiefen und Untiefen männlich-weiblicher Seelenlandschaften gemacht. In seiner libidinösen Ambivalenz provoziert er sie zur Wahl immer drastischerer Repressionen, um ihn aus der Reserve zu locken.
Einfach sprachlos sieht man dem Spiel von Emmanuelle Seigner und Mathieu Amalric dabei zu, wie sie dem Regiekonzept Polanskis Ausdruck verleihen. Perfekt machte sich das Theaterstück von David Ives zu eigen. Machte daraus etwas durch und durch Filmisches. Das ist ihm bereits bei „Gott des Gemetzels“ so großartig gelungen! „Venus im Pelz“ gehört vollends in die Reihe der makellosen Alterswerke großer Regisseure. Ein Film, bei dem alles stimmt. Den ich deshalb am liebsten gleich noch einmal sehen möchte. Sowas kommt ganz selten vor!