Das der Dramatiker Peter Weiss (1916-1982) auch Filme gedreht hat, ist zwar kaum bekannt, aber nichts Neues. Allerdings waren seine cineastischen Arbeiten aus den 1950er nur dem Hörensagen nach bekannt und nur ganz selten zu sehen. Jetzt werden Filme des Peter Weiss zum ersten Mal auf DVD vorgestellt – innerhalb der ambitionierten „filmedition suhrkamp“, dem Hausverlag des Autors.
„Der Filmdichter kann sein Bild der Welt, seine Halluzinationen, seine heimlichen Gefühle, seine Unruhe, konkret vor uns hinstellen und in all ihren Stadien entwickeln…“
Peter Weiss 1956 in der Einleitung zu seinem Buch „Die Avantgarde des Films“. Fazit und gleichzeitig theoretische Reflektion seiner Beschäftigung mit dem Medium Film. Es hatte die Malerei abgelöst. Ab 1952 drehte Peter Weiss Filme. Bis 1961 realisierte er in Schweden 12 Kurzfilme und zwei abendfüllende Spielfilme. Dann rückte seine Passion des Filmemachers hinter der des Dramatikers zurück. Seine Stücke – z.B. „Marat/Sade“ oder „Die Ermittlung“ waren erfolgreicher als seine artifiziellen filmischen Experimente. Dass sie überhaupt bekannt sind, ist dem Filmtheoretiker und Filmemacher Harun Farocki zu verdanken. Er hat 1980 in der Zeitschrift „Filmkritik“ – damals das Hausblatt deutscher Cineasten – zum ersten Mal auf das filmische Oevre von Peter Weiss aufmerksam gemacht.
Anschließend hat Harun Farocki 1981 in einem Fernseh-Feature des WDR über den Film bei Peter Weiss an exemplarischen Beispielen den filmenden Dichter gewürdigt. Unter dem Titel „Peter Weiss Filme. Vorgestellt von Harun Farocki“ wurde die Produktion jetzt aus dem Archiv geholt und auf DVD in der „filmedition suhrkamp“ veröffentlicht. Da irritiert nächst, dass Farocki seine Einführungen bei flackerndem Kerzenschein vom Blatte liest: Das war TV-Feuilleton der 1980er Jahre! Wir wären dankbar, es gäbe davon heute noch einen Hauch – trotz der prätentiösen Machart. Deshalb ist allein das als Stück Nostalgie willkommen..
Ein frühes Beispiel für einen Peter Weiss-Film ist „Studie II: Halluzinationen“ von 1952. Ein 5-Minuten-Experiment im Stil der Surrealisten. Alltägliche Verrichtungen, wie die Morgentoilette, bekommen durch Verfremdungen eine magische Dimension. Weiss nannte Dali und Cocteau als seine Vorbilder…
Mitte der 1950er Jahre kombinierte Peter Weiss den Experimentalfilm mit der Reportage. Einen seiner in Inhalt und Form spektakulärsten Filme drehte er 1957 mit „Im Namen des Gesetzes“ über das Leben in einem Jugendgefängnis: durch eine komplexe Ton-Bild-Montage machte Weiss den monotonen Alltag der Häftlinge spürbar. Wegen angeblicher Pornographie musste Peter Weiss den Film auf Anweisung der schwedischen Zensur beträchtlich kürzen.
Bei den Filmen von Peter Weiss nicht nur um eine persönliche Möglichkeit des Übergangs von der Malerei zur Literatur, sondern um einen eigenständigen Beitrag zur Filmgeschichte. Die DVD-Edition „Peter Weiss: Filme“ enthält im Bonusteil ein aufschlussreiches Interview, das Harun Farocki 1979 mit Weiss über dessen theoretisches Hauptwerk „Ästhetik des Widerstands“ führte. Außerdem liegt ihr ein umfangreiches Booklet bei. Eine verdienstvolle Veröffentlichung – zum Preis von rund 20 Euro.