Es gibt Filmemacher, die sind zwar in jeder Filmgeschichte verzeichnet, ihre Filme kennen aus eigener Anschauung aber nur wenige. Dazu gehört der Maler und Regisseur Peter Pewas, der in der Chronik des deutschen Films im 20. Jahrhundert eine solche Schattenexistenz führt. Zum ersten Mal machte Anfang der 1980er Jahre die „Stiftung Deutsche Kinemathek“ mit einer Hommage im Rahmen der Berliner Filmfestspiele auf ihn aufmerksam. Pewas lebte von 1904 bis 1984. Er konnte lediglich drei lange Spielfilme und eine überschaubare Reihe kürzer Arbeiten realisieren. Jetzt hat Absolut Medien – in Zusamenarbeit mit CineGraph und Cinefest – die wichtigsten Filme von Peter Pewas in einer 2-Disc-Edition auf DVD veröffentlicht.
Im Laufe von 35 Jahren hat sich Peter Pewas im Spielfilm, der Dokumentation und dem Werbefilm ausprobiert. Immer stilsicher und höchst innovativ. Dabei konsequent in seinem künstlerischen Selbstverständnis. In einer Branche, die von ihren Angehörigen ein Höchstmaß an Biegsamkeit erwartet, hatte Peter Pewas keinen leichten Stand. – Am Anfang das NS-Regime, das die Filmemacher an die eiserne Kandare nahm. Dann die ostdeutsche Defa und die westdeutschen Kommerzproduzenten, die auf den Individualisten mehr oder weniger Allergisch reagierten und umgekehrt: Der Umgang mit dem eigensinnigen Quereinsteiger Pewas war alles andere nicht leicht.
1904 in Berlin geboren, sollte Peter Pewas eigentlich Schlosser werden. Ohne seine Lehre abzuschließen, nahm er Reißaus und ging auf Wanderschaft. In Weimar hospitierte Pewas im Bauhaus bei Lászlo Moholy-Nagy. Dabei entdeckte er sein Talent als Grafiker und verdiente seinen Unterhalt mit der Gestaltung von Broschüren und Plakaten.
Nach Kontakten zum Theater kamen die Möglichkeiten des Films als künstlerischer Ausdruck; als Amateur drehte Peter Pewas 1932 einen Dokumentarfilm, der „Alexanderplatz überrumpelt“ heißen sollte. Tatsächlich wurde der Filmemacher „überrumpelt“ und zwar von der Polizei bei den offiziell nicht angemeldeten und genehmigten Dreharbeiten. Die Folge: Beschlagnahmung des bereits belichteten 16mm-Materials. Nur Fragmente des unvollendeten Films sind erhalten ge-blieben und werden in der „Peter Pewas“- Edition vom Absolut Medien zum ersten Mal öffentlich gemacht
Nach diesem Desaster blieb Peter Pewas erst einmal bei seinem Metier als Werbegrafiker und zwar für Filmverleiher. Er entwarf Kinoanzeigen, Plakate und Werbematerial. War also seinem Traum als Filmemacher zumindest ein Stück näher gekommen.
1937 wurde Pewas in der „Lichtbild-Bühne“, einer der maßgeblichen Filmzeitschriften der damaligen Zeit, für seine Plakat-Kunst gelobt:
Da heißt es: „Der Zeichner Pewas zeigt (…) die Fähigkeit, eine neue Art der Plakatgestaltung zu schaffen – einfach, wie er uns sagt, in dem Bestreben, auch im Plakat dem jeweiligen Film ganz nahe zu kommen -, in der Meinung, dass die abgegriffene Form meist am Kern, am Charakter, am Wesentlichen des Films vorbei ging…“
Dank solchen Renommees gelang es Pewas ein Jahr später zunächst als Gasthörer, dann als ordentlicher Student an der neu gegründeten „Deutschen Filmakademie“ angenommen zu werden. Der Akademie-Direktor und Regisseur Wolfgang Liebeneiner wurde auf das neue Talent aufmerksam und engagierte Peter Pewas als Regie-Assistenten (bei „Bismarck“ und „Ich klage an“). Seinen ersten eigenen Film im Rahmen seines Studiums konnte er 1940 realisieren.
Das Debut heißt „Eine Stunde“ und dauert 23 Minuten. Innerhalb einer Stunde entscheidet sich das Schicksal von einer Handvoll Menschen in einem Berliner Mietshaus. Nicht unbedingt zum Guten. In Atmosphäre und Haltung ist der Einfluss des französischen Films der Vorkriegszeit nicht zu übersehen. Vor allem der Filme Marcel Carnes, von denen man annehmen kann, dass Pewas sie gesehen hat.
Das Kreuz mit der Pünktlichkeit und der Preis den man dafür zahlt, ist ein Hauptmotiv in „Der verzauberte Tag“, den ersten langen Spielfilm, den Peter Pewas 1943 realisieren konnte: Auch hier eine Verkettung fataler Schicksale:
Die Pragmatik eines Buchhalters und die Sehnsucht einer jungen Frau nach Seelenverwandtschaft. Beides geht nicht zusammen. Am Ende von „Der verzauberte Tag“ steht die Einsamkeit. Der Film fällt in Form und Inhalt komplett aus dem Raster des NS-Films während des Krieges, einer Zeit, in der aufgekratzte Heiterkeit auf der einen, das erdenschwere Melodram auf der anderen Seite angesagt war. Peter Pewas vermittelt dagegen mit kühler Eleganz eine Atmosphäre der Indifferenz und der Lüge.
Soviel Tristesse und bedingte Hoffnungen passten Joseph Goebbels nicht ins Filmkonzept: „Der verzauberte Tag“ wurde zwar nicht ganz und gar verboten, aber „zur Überarbeitung zurück gestellt“.
Um 20 Minuten gekürzt kam der Film schließlich 1951 in die Kinos. Die Kürzungen waren allerdings nicht mehr von der NS-Zensur kurz vor Torschluss verfügt worden, sondern auf Veranlassung der westdeutschen FSK. Das entfernte Material ist ebenso verschollen, die Begründungen der Kontrolleure. So enthält auch die DVD-Edition nur einen Torso des ursprünglichen Films.
Inzwischen hatte Peter Pewas einen weiteren Spielfilm gedreht: „Straßenbekanntschaft“ entstand 1947/48 für die ostdeutsche Defa – ein Aufklärungsfilm über Geschlechtskrankheiten. Allerdings in Form eines diffizilen Beziehungsdramas, mit den für den Regisseur typischen tief traurigen Zwischentönen. Eine Mischung als Kriegs-heimkehrer-Drama und Zeitgeiststück.
Mit der Begründung: „Es gab Kräfte, die meine Linie kontrollieren wollten…“ kehrte Peter Pewas der Defa den Rücken und drehte für die westdeutsche Bundesbahn „Menschen–Städte-Schienen“ – eine Reportage über die Fahrt des „Alpen-Nordsee-Express“ von München nach Bremerhaven.
Die Kombination aus Dokumentar-und Spielfilm brachte Peter Pewas ebenso viel Kritikerlob ein wie seine elegische Studie „Herbstgedanken“ (1950) nach einem Gedicht von Rainer Maria Rilke. Er blieb fürs Erste beim kurzen Dokumentarfilm. Nach weiteren gescheiterten Projekten war es Pewas erst 1955 möglich, seinen nächsten Spielfilm zu drehen: „Viele kamen vorbei“ – einen verstörenden Thriller über einen Serienkiller. In dem sich der Einfluss Fritz Langs mit Elementen des Deutschen Nachkriegsfilms kongenial verbindet. Heute erscheint der Film als früher Vorläufer des „Jungen deutschen Films“.
Leider ist „Viele kamen vorbei“ in dieser DVD-Werkausgabe mit Filmen von Peter Pewas nicht enthalten. Die Lizenzinhaberin verweigerte aus finanziellen Gründen die Genehmigung zur Veröffentlichung.
Das Manko wird durch Ausschnitte in der berührenden Dokumentation „Plötzlich ist das Ende da. Gedanken zum Tod von Peter Pewas“ wenigstens etwas ausgeglichen, den sein Kameramann, langjähriger Freund und Weggefährte Wolfgang Fischer 1984 gedreht hat. Sie enthält auch Gespräche mit Peter Pewas über sein Selbstverständnis als Filmemacher. Ein Resignierter zieht Bilanz über ein Leben gegen den Strom des Filmbetriebs.
Aus dem Bonusteil der ausgezeichneten DVD-Edition „Peter Pewas Filme 1932-67“. Entstanden in Zusammenarbeit zwischen CineGraph und Absolut Medien. Daran sollte man nicht vorbei gehen. Der Preis ist 29.90 Euro. Ein fairer Preis für eine spannende Entdeckungsreise durch das Werk eines bekannten Unbekannten. Mit diversen Extras auf den beiden DVDs – sowie einem vorzüglich geschriebenen Booklet von Hans-Michael Bock und Swenja Schiemann.