Österreich 2012
Regie Ulrich Seidl
Mit Margarethe Tiesel, Peter Kazungu,Inge Maux
Kinostart: 3. Januar 2013
Auf den ersten Blick scheinen es Dokumentarfilm zu sein, die der Österreicher Ulrich Seidl dreht. In Wirklichkeit sind es aber nach einem Drehbuch minutiös durchkomponierte Spielfilme. Häufig engagiert Seidl neben Profi-Schauspieler auch Laiendarsteller. Seine Filme irritieren und provozieren. Sie heißen „Hundstage“, „Tierische Liebe“ oder „Import Export“ und sind immer ganz nah an unserer Wirklichkeit. Auch die neue „Paradies“- Trilogie Ulrich Seidls „Liebe“, „Glaube“, „Hoffnung“. Teil 1 „Liebe“ startet diese Woche in den deutschen Kinos“, Teil 2 „Glaube“ hatte bei den Filmfestspielen in Venedig Premiere, Kinostart im März. Die Uraufführung von Teil 3 „Hoffnung“ wird bei der Berlinale im Februar stattfinden und dann im Laufe des Jahres ebenfalls in den Kinos zu sehen sein.
Teresa (Margarethe Tiesel) ist 50, allein erziehende Mutter, übergewichtig und sexuell unterversorgt: sie hat sich diesmal einen Urlaub in Kenia gegönnt: Ferien am weißen Strand unter blauem Himmel und vor allem weit weg vom tristen Österreich und der ständig missmutigen, pubertären Tochter. Außerdem gibt es in Kenia jede Menge junger Männer, die wissen, was die Touristinnen aus Europa außer dem schönen afrikanischen Wetter erwarten: Zunächst ziert sich Teresa, auf die eindeutigen Angebote einzugehen. Ihre Urlaubsbekanntschaft Inge – ebenfalls alleinstehend und Vollschlank – hat damit kein Problem, ganz im Gegenteil. Sie lässt sich gerne von jungen Kenianern anbaggern.
Schließlich kann auch Teresa nicht widerstehen: am Strand begegnet sie Munga (Peter Kazunga), einem durchtrainierten Einheimischen. Der perfekte Lover eröffnet der verklemmten Teresa im Hotelzimmer unterm Moskitonetz neue erotische Horizonte.
Ulrich Seidl kennt wieder keine Gnade! Hinterhältig führt er in „Paradies: Liebe“ seine schwitzende Teresa durch den Alltag einer Sextouristin durch die Hinterzimmer eines sogenannten „Urlaubsparadieses“, um sie dann abstürzten zu lassen. Dabei erspart er dem Zuschauer keine noch so grosse Peinlichkeit, die er lustvoll inszeniert. Die Reflektion von Teresa und Inge über die Vor-und Nachteile der Intimrasur gehört dabei zu den harmloseren Momenten.
Mit kunstvoll arrangierten Bildern überhöht Ulrich Seidl Teressa kenianische Lustreise, lässt die Grenze zwischen dem Dokumentarischen und Fiktionalen raffiniert verschwimmen. Die versierte Theaterschauspielerin Margarethe Tiesel gibt der Sex-Touristin Teresa mit beachtlichem Mut zur Selbstentäußerung eine zutiefst tragische Dimension. Setzt Seidls Absicht bei diesem Film perfekt um. Einmal mehr geht es dem Regisseur das Psychogramm einer verzweifelten Suche nach Liebe und Geborgenheit. Dabei camouflierte das Ganze in alltäglichen Rassismus, der aus Verunsicherung erwächst. Wer den speziell österreichischen Blick in seelische Abgründe schätzt, wird von „Paradies: Liebe“ nicht enttäuscht sein. Nestroy, Schnitzler, Bernhard und Jelinek sind bei Ulrich Seidl nicht weit….