Serbien/Kroatien/Mazedonien/Slowenien 2012
Regie: Srdjan Dragojevic
Mit Nikola Kojo, Milos Samolov, Hristina Popovi
Kinostart: 13. September 2012
Trauerarbeiten haben in den letzten Jahren die Filme aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien bestimmt. Vor allem in Serbien trägt man schwer an der Bürde der Kriegsverbrechen. Emir Kusturica, das einstige cineastische Aushängeschild, ist nach rechts abgedriftet und macht lieber Musik als Filme. Vor dem Hintergrund einer nach wie vor schwierigen gesellschaftspolitischen Lage überraschte bei den diesjährigen Berlinale eine Serbisch-kroatisch-mazedonisch-slowenische Koproduktion, die mit einem unge-wöhnlichen Thema an den Geist der Aussöhnung appelliert: Er heißt „Parada“ und thematisiert Homosexualität in einer zutiefst homophoben Gesellschaft – als Komödie. Inzwischen nicht nur in Serbien, sondern auf dem gesamten Balkan der erfolgreichste Film nach dem Bürgerkrieg. Jetzt auch in den deutschen Kinos.
Limun (Nikola Kojo) ist stolz auf seine Tschetnik-Erfahrung im Bürgerkrieg, die sich jetzt im Waffengeschäft bezahlt macht. Eine Kampfsportschule mit angeschlossenem paramilitärischem Sicherheitsdienst sichert vollends seinen Platz in der Belgrader Unterwelt. Bei einem Scharmüzel mit einem Konkurrenten bekommt Limuns Dogge Sugar einen Streifschuss ab. In der Notaufnahme der Tierklinik wird Sugar von Doktor Radmilo (Milos Samolov) verarztet und gerettet. Limun könnte also zufrieden sein. Es stört ihn aber beträchtlich, dass ein offensichtlich schwuler Arzt seinen Kampfhund behandelt hat. Schwule rangieren bei Limun noch hinter Bosniern, Kroaten, Kosovo-Albanern und Zigeunern. Das verbindet den Gangster mit der Polizei…
Deshalb gibt es für die von Mirko (Goran Jevtic) organisierte „Gay-Pride-Parade“ in der Innenstadt von Belgrad auch keinen Polizeischutz. Mirko ist der Lebensgefährte von Radmilo und betreibt hauptberuflich ein Dienstleistungsunternehmen zur Organisation von Hochzeiten. Der Zufall will es, dass er im Moment ausgerechnet die Hochzeit von Limun mit Pearl vorbereitet. Pearl (Hristina Popovi), eine ehemalige Go-go-Tänzerin im Rotlichtmilieu. Sie hat ein goldenes Herz auch für Schwule und ihren Limun fest im Griff. Keine Frage: Ihr Zukünftiger soll die „Pride!-Demo mit seinen Leuten beschützen. Der weigert sich natürlich, vorerst…
Regisseur Srdjan Dragojevic beginnt seinen Film „Parada“ als witzigen, aber nicht sonderlich originellen Zusammenprall zwischen leicht zickigen Schwulen und homophoben Machos. Wobei er kein Klischee scheut: Je länger seine Komödie dann aber dauert, desto größer wird seine politische Dimension. Die Diskriminierung von Homosexuellen wird zum Symbol für einen gesellschaftspolitischen Zustand: Nicht nur die Polizei, sondern auch sämtliche Mitarbeiter von Limuns Sicherheitsfirma weigern sich, den Auftrag anzunehmen.
Deshalb nutzt er jetzt seine grenzüberschreitenden Kontakte zu ehemaligen Kriegskameraden- bzw. gegnern. Limun nimmt Radmilo mit auf die Reise. Auf Anhieb finden die beiden in dem Kroaten Roko (Goran Navojec) einen, der es persönlich und beruflich in den neuen Friedenszeiten nicht leicht hat und deshalb die Abwechslung schätzt. Außerdem hat Radmilo seinen Esel gerettet.
Der ausgebildete Psychotherapeut Dragojevic hat mit „Parada“ den Nerv der Zeit getroffen. Das erklärt den großen Erfolg des Films nicht nur in Serbien, sondern in allen Balkanländern. Der hiesige Zuschauer erlebt bei „Parada“ nicht allein eine pfiffige Komödie über Vorurteile, die ins Wanken geraten, sondern einen spannenden Einblick in die gegenwärtige Seelenlage auf dem Balkan. In einem Interview sagte der Regisseur: „Für mich ist Humor Heilung: eine Waffe gegen die stumpfsinnige, mittelmäßige Welt, in der wir heute leben!“ Damit ist sein Film „Parada“ auch ganz nah bei unserer Wirklichkeit.