Orson Welles grandiose Verfilmung von Franz Kafkas „Der Prozess“ ist die Nummer 50 in der Edel-Reihe „Arthaus Premium“ und entsprechend sorgfältig ediert. 1963 war der Film in einer gekürzten Version in die deutschen Kinos gekommen. Hier wird die in Englisch gedrehte internationale Koproduktion zum ersten Mal integral präsentiert: In nur sechs Wochen hat Orson Welles seine Drehbuchfassung von „Der Prozess“ geschrieben.
Zu Kafkas Lebzeiten war von dem Roman nur die sogenannte „Torhüterparabel“ veröffentlicht worden. Illustriert von Alexandre Alexeieff stellte sie Welles seinem Film voran. Er liest den Text selbst: ein Mann vom Lande kommt ans Tor des Gesetzes und begehrt Einlass. Der Torhüter vertröstet ihn immer wieder. Nach Jahren fragt der Mann, warum außer ihm nie jemand an das Tor gekommen ist. Der Torhüter darauf, dieser Eingang sei nur für den Mann bestimmt gewesen. Jetzt würde es aber geschlossen.
Ohne Kafka nur zu illustrieren, fand Orson Welles Bilder eines Alptraums, eine Welt gerät aus den Fugen als Josef K. eines Morgens von einem Polizisten geweckt wird: „Jemand musste Josef K.“ verleumdet haben…“ So der vielzitierte erste Satz aus Kafkas „Process“: Bei Welles wird K. von Anthony Perkins gespielt.
Verstört versucht sich K. darüber klar zu werden, was mit ihm geschieht. Grandios wie Welles das Zerbrechen der Wirklichkeit an K. Arbeitsplatz: angeblich eine Bank. Doch sie erweist sich als eine Fabrikhalle, die mit dem ohrenbetäubenden Lärm hunderter Schreib-maschinen einem Tollhaus gleicht.
K. wird der Prozess gemacht. Den Grund kennt er nicht: gefangen in einem Netz der Intrigen. Verzweifelt versucht er sich gegen die Macht eine undurchsichtigen Justizapparates zur Wehr zu setzen.
Auch K.‘s Anwalt, Hasler, gespielt von Orson Welles, scheint weniger mit der Verteidigung als vielmehr mit einer Intrige gegen seinen Mandanten beschäftigt zu sein.
Außerdem scheint Hasler wesentlich mehr Interesse an seiner Angestellten Leni – Romy Schneider – zu haben als an dem Stören-fried K. Und so gibt es für K. schließlich keine Rettung mehr – er wird hingerichtet. Am Schluss von „Der Prozess“ weicht Orson Welles zum ersten und einzigen Mal inhaltlich von der Vorlage ab. Wird K. bei Kafka am Ende von zwei Henkern erstochen – erwartet ihn im Film der Atomtod. Visionär wie der gesamte Film eines Genies.
Zu den Extras der Arthaus-Premium-Edition gehört auf einer zweiten Disc die Dokumentation „Orson Welles – The One Man Band“ die Vassili Silovic 1994 zusammen mit Welles letzter Lebensgefährtin und Nachlassverwalterin Oja Kodar gedreht hat.
Die Bedeutung der Dokumentation liegt darin, dass hier zum ersten Mal die Problematik des „Ein Mann-Orchesters“ Orson Welles im Hinblick auf seinen Nachlass dargestellt wurde. Der überschaubaren Zahl fertig gestellter Filme, steht eine Vielzahl von Projekten gegenüber, die in unterschiedlichen Stadien der Produktion abge-brochen wurden. Da ist zum Beispiel „The other side oft he wind“. Mit den Dreharbeiten zu diesem autobiographischen Film begann Welles 1972. Sein alter ego spielt John Huston. Ungeklärte rechtliche Fragen verhinderten die Fertigstellung.
Eine Preziose in „The one-man band“ ist ein Ausschnitt aus einer Diskussion, die Orson Welles kurz vor seinem Tod mit Studenten führte.
Es fehlte bei Orson Welles immer an Geld für seine Projekte und seine bisweilen extravagante Art der Inszenierung. Deshalb verdingte er sich als Schauspieler in Filmen weit unter seinem Niveau und gab sich in die Hände dubioser Finanziers wie dem Schwager des Schahs von Persien. Von ihm stammten die Mittel für „The other side oft the wind“ und „F for fake/F wie Fälschung“, dem letzten vollendeten Film Orson Welles von 1975.
Was ist Wahrheit, was ist Lüge oder ist alles doch nur ein Trick, eine Täuschung der Sinne. Darum geht es Welles in „F for fake“. Auch dieses Meisterwerk, das sich gängiger Kategorisierung entzieht gibt es auf DVD ebenfalls von Arthaus-Kinowelt. Im Bonusteil übrigens ebenfalls „the one-man band“. Ausgangpunkt bei „F for fake“ waren für Orson Welles zwei Hochstapler: der Kunstfälscher Elmyr de Hory und Schriftsteller Clifford Irving.
Der eine kopierte alte Meister, der andere fälschte Biographien: aber wo ist die Grenze zwischen Original und Kopie. Welles drehte eine der spannendsten Reflektionen über das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Die Aufnahmen zu diesem Film entstanden unter anderem in de Horys Villa auf Ibiza. Eine amüsierte Konversation zwischen Welles, dem reichen Kunstfälscher und Autor Irving, der auch ein Buch de Hory geschrieben hat.
Die Untiefen des Lebens haben Orson Welles immer brennend interessiert. Der Monomane war fasziniert von Monomanen: mit 24 drehte er mit „Citizen Kane“ ein Schlüsselwerk der Filmgeschichte. Für ihn selbst mehr Fluch als Segen: von diesem Schatten konnte er sich nie befreien.
Über Orson Welles ist bereits viel gesagt, geschrieben und gefilmt worden: da fällt der Spielfilm „RKO 281/Die Legende. Der Kampf um CITIZEN KANE“ angenehm auf. 1999 rekonstruierte dieser Spielfilm die dramatische Produktionsgeschichte von „Citizen Kane“. Regie bei dieser Produktion des amerikanischen TV-Senders HBO führte Benjamin Ross. Orson Welles wird eindrucksvoll von Liev Schreiber verkörpert. 3L hat den Film auf DVD veröffentlicht. Obwohl lieblos ediert eine lohnende Anschaffung für knapp 10 Euro. „F wie Fälschung“ kostet von Arthaus-Kinowelt kostet 12, die „Premium-Edition“ von „Der Prozess“ 20 Euro. Von Kinowelt gibt es neben „Citizen Kane“ auch den „Der Glanz des Hauses Amberson“ auf DVD, den zweiten Film von Orson Welles, von dem – nicht ohne Schuld des Regisseurs – nur ein Torso erhalten geblieben ist.