Eine Mutter, wie sie im Buche steht: blond, apart, selbstbewusst und gleichzeitig voller Aufopferung für die Familie. Ihre Karriere hat sie zu Gunsten von Keller, Küche und Kind aufgegeben. Selbst als der kleine Sohn entführt wird, behält sie die Contenance, setzt sich an Klavier und singt!
Mit Doris Day präsentierte Alfred Hitchcock 1955 in „Der Mann, der zuviel wusste“ eine Über-Mutter, die Angst und Bange macht. Zumal er fünf Jahre später in „Psycho“ die Abgründe zeigte, in die solche Super-Mütter ihre Söhne treiben können. Norman Bates ist seiner Mutter über deren Tod hinaus verfallen. Er hat sein Idol nicht nur ausgestopft zu Hause, sondern begeht mit Mama als Über-Ich Morden an blonden Frauen.
Soweit Mr. Hitchcock beim Ortstermin.
Der Knabe Rainer Werner Fassbinder versuchte ein Leben lang seine ans pathologische rührende Beziehung zu seiner Mutter zu bewältigen. Die dominante Lilo Eder verwöhnte ihren Rainer bis zu seinem Tod, suchte wo immer sie konnte Unheil von ihm abzuwenden, beerdigte seine Affären und machte seine Buchhaltung. Fassbinder revangierte sich für die Liebe, in dem er die Mutter in vielen seiner Filmen, garstige Nebenfiguren spielen ließ. Filmgeschichte hat sein rücksichtsloser Diskurs mit ihr in „Deutschland im Herbst“ gemacht. Hier Fassbinders Mutter, Lilo Eder, in seinem Frühwerk „Götter der Pest“:
In vieler Beziehung ein Seelenverwandter Fassbinders ist der spanische Filmemacher Pedro Almodovar. Verschlüsselt zwar, aber nicht weniger rigoros, inszenierte er 1999 seine Abrechnung „Alles über meine Mutter“. Manuela trauert um ihren jung gestorbenen Sohn und gerät dadurch von einer Obsession in die nächste.
Zwischen Monster und Madonna haben Mütter in der Filmgeschichte einen schweren Stand. Wenn sie dann endlich bereit sind, ihre Nachkommenschaft los zu lassen und die Befriedigung eigener Bedürfnisse suchen, führt das auch geradewegs ins Unheil: So bei der reichen Witwe Cary Scott in „Was der Himmel erlaubt“ von Douglas Sirk aus dem Jahr 1955: Die Kinder sind aus dem Haus, einsam liegen die Gefühle der Ärmsten brach. Da stößt ein attraktiver Gärtner in das Vakuum. Zum Entsetzen von Carys Kindern:
Mutter ist schließlich die Dumme, ihr spätes Glück ramponiert. Rainer Werner Fassbinder benutze übrigens „Was der Himmel erlaubt“ als Vorlage für seinen Film „Angst essen Seele auf“. Also wo bleibt das Positive? Das gibt es vorzugsweise im deutschen Fernsehen. Und zwar nicht nur m Westen, sondern auch in der ehemaligen DDR. Einer der Hits des Deutschen Fernsehfunks der 1980er Jahre hieß „Familie Neumann“. Ganz besonders beliebt war Marianne Neumann. Als Lehrerin eine pädagogische Spitzenkraft. Entsprechend fundiert führt sie die Familienkonferenz:
Nicht umsonst haben die Deutschen den Muttertag erfunden und die Nazis flankierend – das inzwischen abgeschaffte – Mutterverdienstkreuz. Vor dem Hintergrund der cineastischen Mutterbilder von Hitchcock bis Fassbinder bekommt sogar die von Wilhelm Strienz gesungene Schnulze aus dem NS-Propagandafilm „Wunschkonzert“ eine monströse Dimension.
Dazu eine Sendung: Produziert für HR2 „Der Tag“:
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