Dänemark/Deutschland 2011
Regie: Lars von Trier
Mit Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg, Kiefer Sutherland, Charlotte Rampling, John Hurt, Udo Kier
Kinostart: 6. Oktober 2011
Lars von Trier gehört zu den wichtigsten Regisseuren der Gegenwart, der es wie kein anderer versteht, das Lebensfühl, die Ängste unserer Zeit filmisch Ausdruck zu verleihen. Das hindert von Trier allerdings nicht, bei öffentlichen Auftritten regelmäßig unter sein Niveau zu gehen und den bösen Buben zu geben. Zuletzt bei den Filmfestspielen in Cannes dieses Jahr. Bei der Pressekonferenz zu „Melancholia“ zeigte er erst sein Faust-Tattoo mit der Aufschrift „Fuck“ in die Runde, beleidigte dann sein Hauptdarsteller Kirsten Dunst, um anschließend zu verkünden: „Ich bin ein Nazi!“ Obwohl sich Lars von Trier für den Faux pas umgehend entschuldigte, wurde er vom Festival zur „Persona non grata“ erklärt und brachte sich damit um die sichere „Goldene Palme“ für „Melancholia“.
Die Hochzeit von Justine (Kirsten Dunst) und Michael (Alexander Skarsgard) soll ein rauschendes Fest werden: die Schwester der Braut, Claire (Charlotte Gaisbourg), hat auf ihrem prächtigen Landsitz alles bis ins kleinste Detail vorbereitet.
Das Brautpaar ist bedauerlicher Weise mit ihrer Strechlimosine bei der Anfahrt zu Claires Schloss auf einem Waldweg stecken geblieben. Ihrer guten Stimmung tut das keinen Abbruch. Es dauert aber, bis das Auto wieder fahrbereit ist. Die Verspätung hat den Zeitplan durcheinander gebracht. Der Feier fehlt dadurch der rechte Schwung. Die Gratulanten blamieren sich mehr oder weniger mit ihren Grußworten. Brautmutter Gaby (Charlotte Rampling) bringt z. B. unpassender Weise ihre Abneigung gegenüber der Ehe zum Ausdruck.
Nach Tisch wird die mögliche Gefährdung der Erde durch den Planeten Melancholia diskutiert, der sich mit großer Geschwindigkeit nähert. Pessimisten befürchten durch den Einschlag die Apocalypse.
Sie sollen recht behalten. Die letzten Tage der Menschheit haben begonnen. Es trübt sich ein. Der Grundtenor im ersten Teil („Justine“) von “Melancholia“ ist noch heiter, die Menschen gelassen. Auch dann, wenn sie im Grunde unglücklich sind. In Teil 2 („Claire“) macht sich Angst, Depression und Verzweiflung breit. Das findet in den unterschiedlichen Charakteren der Schwestern Justine und Claire seinen Ausdruck. Lars von Trier über seine seelische Verfassung bei der Arbeit am Drehbuch:
„Ich habe mich dabei ungewöhnlich erholt: ein Film über Basics in der menschlichen Existenz sollte das werden. Man kann ja schließlich nicht immer nur depressiv sein. Selbstanalyse ist dabei hilfreich. Wenn man ständig nur Jammer würde, wäre das wenig professionell…“
Gleichwohl ist die Welt in „Melancholia“ nicht zu retten. Lars von Trier erspart dem Zuschauer zwar Schockmomente wie bei „Antichrist“, aber auch diesen Film prägt ein zutiefst pessimistischer Blick auf eine Menschheit, die selbstverliebt einem Abgrund zu taumelt. Den Gedanken an eine mögliche Rettung haben die Menschen längst aufgegeben und vor ihren eigenen Schwächen kapituliert. So ästhetisch wie bei von Trier ist die Welt noch nie im Kino unter gegangen. Das Aufgehen in der Melancholie: zum Sterben schön!
Selbst wenn man sich Lars von Triers Weltschmerz in der letzten Konsequenz verweigert, ist sein Diskurs über „Sein oder Nichtsein“ mit Nietzche und Kiekegaard im Hintergrund und Wagners „Tristan“ auf der Tonebene ein großartiger Film – das Beste, das er bisher gemacht hat.
Es wird ihm deshalb nicht gelingen, diese große künstlerische Leistung mit infantilen Auftritten, wie dem in Cannes zu beschädigen! Ebensowenig durch die Ankündigung, als nächstes einen „saftigen Porno“ zu drehen…. Vielleicht schlägt ja vorher Melancholia ein!