Max Frisch ist einer der wichtigsten Schriftsteller der Moderne. Am 15. Mai vor 100 Jahren ist er in Zürich geboren worden. Aus diesem Anlass hat sein Hausverlag Suhrkamp in Verbindung mit Absolut Medien eine anspruchsvolle Edition „Max Frisch: Filme, Portraits, Interviews“ auf 5 DVDs veröffentlicht.
Das Medium Film hat Max Frisch zeitlebens interessiert. Bereits im Tagebuch 1946-1949 dachte er über die Affinität zwischen literarischem und filmischem Ausdruck nach. Seine praktischen Erfahrungen mit dem Film waren dagegen meistens unerfreulich. In aller Öffentlichkeit wurde 1965 der Konflikt um die Verfilmung seines Drehbuchs „Zürich – Transit“ ausgetragen. Er hatte es auf der Grundlage seines Romans „Mein Name sei Gantenbein“ geschrieben. Daraus sollte das Spielfilm-Debut des renommierten Dokumentaristen Erwin Leiser werden. Nachdem die Produktionsgesellschaft „Atlas“ den Film bereits als Höhepunkt der Saison angekündigt hatte, kam es noch Beginn der Dreharbeiten zum Zerwürfnis zwischen Frisch und Leiser. Als Nachfolger war Bernhard Wicki im Gespräch. Inzwischen geriet „Atlas“ in finanzielle Bedrängnis und musste das Projekt auf Eis leben. Erst 1987 wurde „Zürich-Transit“ unter der Regie von Hilde Bechert verfilmt – als schlichtes Fernsehspiel.
Seit der Affäre „Zürich-Transit“ galt Max Frisch in der Filmbranche als schwieriger Verhandlungspartner und seine Bücher als unverfilmbar. Erst kurz vor seinem Tod 1991, gelang es in enger Kooperation mit dem Schriftsteller einen seiner bekanntesten Romane „Homo Faber“ und eine weniger bekannte Erzählung „Der Mensch erscheint im Holozän“ zu verfilmen.
Der Film „Holozän“ von Heinz Bütler und Manfred Eicher hatte 1992 auf dem Filmfestival von Locarno Premiere und wurde mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. Innerhalb der Filmedition Suhrkamp wird der Film zum ersten Mal in Deutschland präsentiert – im beiliegenden umfangreichen Booklet der Inhalt folgendermaßen zusammen gefasst:
„In seinem Haus, das von Nebelschwaden und einem Regenmeer umgeben ist, hängt Herr Geiser Zettel an die Wände. Sein Prinzip, die Collage von gedruckten Artikeln und Wissensbeispielen zu unterlaufen mit Zetteln in deutlicher Schrift von eigener Hand, wechseln ab mit Hinweisen auf das im Lauf langer Zeiten Heraufbeschworene, Wahrgenommene, Benannte, Erträumte und Erinnerte, als gelte es, Unwiederbringbares einmal noch zusammen-zuführen.“
Unter dem Motto „Katastrophen kennt allein der Mensch, sofern er sie überlebt: die Natur kennt keine Katastrophen“, hat Max Frisch mit „Der Mensch erscheint im Holozän“ seine persönliche Reflektion über den Prozess des Alterns geschrieben. Heinz Bütler und Manfred Eicher entwickelten daraus eine Collage aus Bildern, Musik und Geräuschen, die dem Wesen der literarischen Vorlage sehr nahe kommt.
Nahezu wortlos wird Herr Geiser von dem großen schwedischen Schauspieler Erland Josephson verkörpert. An seiner Präsenz liegt es wohl, dass sich viele Kritiker nach der Uraufführung von „Holozän“ an „Opfer“ von Andrej Tarkowskij erinnert fühlten.
Waren die Kritiken zu „Holozän“ vorwiegend freundlich, wurde Volker Schlöndorffs Adaption des „Homo Faber“ ambivalent auf-genommen. Obwohl Frisch daran selbst mitgearbeitet und das Ergebnis gut geheißen hatte – die Uraufführung fand wenige Wochen vor dem Tod des Dichters im März 1991 statt.
Schlöndorff hat den Roman als internationale Großproduktion in englisch realisiert. Die Titelrolle des Faber verkörpert der amerikanische Dramatiker und Nebenbei-Schauspieler Sam Shepard. Seine Partnerinnen sind Barbara Sukowa als Hannah und Julie Delpy als Sabeth.
Der relative Misserfolg der „Homo Faber“- Verfilmung nach der Premiere, hat inzwischen allgemeiner Wertschätzung Platz gemacht. Als sorgfältige Literaturverfilmung eines schwierigen Stoffes. Auf DVD ist sie bereits mehrfach von Arthaus-Kinowelt veröffentlicht worden. Im Rahmen der Suhrkamp-Edition von Absolut Medien eine reizvolle Ergänzung, die neue Einsichten vermittelt. Neu ist auch das Booklet mit dem Frisch-Kapitel aus Schlöndorffs Autobiographie.
Einen der schönsten Film über Max Frisch hat Matthias von Gunten 2008 mit „Citoyen“ gedreht. Kundig und elegant ging der Filmemacher auf Spurensuche. Bekannte Fakten ergänzte er mit seltenen Fundstücken. Zum Beispiel, in dem er Weggefährten des Dichters wie Günter Grass zu Wort kommen lässt.
Bei „Citoyen“ handelt es sich um eine Neuauflage der 2009 erschienen Einzel-DVD. Zu den Extras gehört ein Booklet mit einem Interview mit von Gunten und Quellentexten Frischs. Außerdem ein Interview mit Max Frisch aus dem Jahr 1985 im Bonusteil.
Das gesamte Interview, das Philippe Pilliod mit Max Frisch geführt hat, gibt es innerhalb der Max Frisch DVD-Box auf einer gesonderten Disc: „Gespräche im Alter“ heißt sie. In 142 Minuten auf der DVD kompiliert, fasste Frisch hier im Gespräch mit dem befreundeten Filmemacher noch einmal zusammen, was ihm wichtig war.
Und noch eine Rarität in der fünfteiligen DVD-Edition zum 100. Geburtstag von Max Frisch: „Journal I-III. Eine filmische Lektüre der Erzählung Montauk unter Anlehnung an das Tagebuch 1946-1949 und das Tagebuch 1966-1971“ von Richard Dindo aus dem Jahr 1981. Einer der formal kühnsten Versuche, Literatur und Film auf einen Nenner zu bringen und gleichzeitig dem Phänomen eines Dichters wie Max Frisch näher zu kommen. Dindo kombinierte Dokumentar-aufnahmen, Texte, Bilder, O-Töne und selbst Gedrehtes zu einer faszinierenden Einheit.
Die Filme von Dindo und Pilliod bilden eine Doppel-DVD innerhalb der neuen Edition. Auch dazu liegt ein umfangreiches Booklet bei. Die Box „Max Frisch: Filme, Porträts, Interviews“ bietet mit insgesamt 564 Minuten einen fundamentalen Einblick in das Werk, das Denken des Dichters und seine filmische Umsetzung. Das Ganze ist für rund 50 Euro zu haben. Die DVDs gibt es aber auch einzeln: Sie kosten dann zwischen 19 und 35 Euro. Bei Schlöndorffs „Homo Faber“ ist die „Arthaus Premium Edition“ für 18 Euro zu empfehlen.