Schweden/Deutschland/Dänemark 2009
Regie: Lukas Moodysson
Mit: Gael Garcia Bernal, Michelle Williams
Kinostart: 10. Juni 2010
Es gibt Filme, die machen es einem nicht leicht sie zu mögen. Dazu gehört „Mammoth“ von Lukas Moodysson, einem der interessantesten Schwedischen Regisseure der Gegenwart. Filme wie „Raus aus Amal“ (1998) und „Lilya 4-ever“ (2002) haben ihn zu einem Hoffnungsträger des zeitgenössischen europäischen Kinos gemacht. Sein neues Werk entlässt den Betrachter am Ende einsam und in depressiver Stimmung. Dabei wissen wir doch, das es in dieser globalen Welt wenig zu lachen gibt.
Bei der Premiere während der Berlinale 2009 fiel „Mammoth“ durch, d.h. es gab neben den Ablehnern auch eine qualifizierte Minderheit, die dem Film Applaus zollten. Eines ist unumstritten: Moodysson wagte sich mit „Mammoth“ zum ersten Mal in die „Neue Welt“. Dank eines – für europäische Verhältnisse – beachtlichen Budgets konnte er sich sogar internationale Stars für die Hauptrollen leisten.
Der Erfolgsdruck unter dem Lukas Moodysson bei diesem ehrgeizigen Projekt stand, ist den 125 Minuten seines Films von Anfang bis Ende anzumerken. Aber er gab die Qualen, die er dabei durch wohl erleiden musste, eins zu eins ans Publikum weiter! Auf der Leinwand leiden die Menschen an der Zeit mit ihren großen und kleinen Katastrophen und im Parkett die Zuschauer. Das ist zumindest konzeptionell konsequent!
Ellen (Michelle Williams) und Leo (Gael Garcia Bernal) leben in New York als Kleinfamilie mit Kind in feinen Verhältnissen. Natürlich ist die Fassade der Beziehung brüchig. Ihrem philippinischen Kindermädchen geht es auch nicht gut. Um in Amerika Geld zu verdienen, musste sie ihre beiden Söhne zu Hause in eine Pflegefamilie geben. Dauernde Sorge in der Fremde last auf der Ärmsten. Dazu hat sie allen Grund, denn auf den Philippinen herrscht die Krise besonders drastisch und lüsterne Touristen haben es auf kleine Jungs abgesehen. Davon erfahren wir später mehr.
Zunächst nähern wir uns Leo, der als Spielentwickler in der Softwarebranche erfolgreich ist. Nach dem ihm wieder ein besonders innovatives Konsolenspiel gelang, schenkt ihm sein Geschäftspartner einen edlen Füller aus Mammut-Elfenbein. Damit reist er nach Thailand, um einen Kooperationsvertrag für eine Firmendependance in Südostasien zu unterzeichnen. Natürlich gerät der labile, erotisch unterversorgte Ami in die Fänge einer mandeläugigen Schönheit im Rotlichtviertel von Bangkok.
Während dessen ringt Gattin Ellen als Notfallärztin in New York um das Leben ihrer Patienten. Doch damit nicht genug, die elternlos aufwachsenden Söhne des Kindermädchens drohen inzwischen auf den philippinischen Babystrich zu geraten. Um sie abzulenken schickt die Mutter den Buben einen Basketball. Regisseur Moodysson lässt ihn ganz nah vor die Kamera halten: wir lesen „Made in Philippinen“. Die Welt ist ein Dorf und das Elend überall. An diesem gesellschafts-kritischen Model von oben und unten wollte Moodysson zeigen, „dass wir alle auf diesem Planeten miteinander verbunden sind, ob wir es mögen oder nicht. Und dass jeder jeden irgendwie braucht“ (Aus dem Presseheft zu „Mammoth“).
„Irgendwie“ leuchtet das ein! Widerspruch rührt sich allerdings angesichts der Art und Weise, wie der Regisseur hier Kalenderweisheiten in schicken Bildern zur schicksalsschwangeren Elegie stilisierte. Zweifellos meint er es mit „Mammoth“ ganz, ganz ernst und sieht sich als Mahner in der Wüste. Aber die ernste Absicht ist ihm trotz bzw. wegen seiner Starbesetzung und den internationalen Schauplätzen zu dieser quälenden Angelegenheit geronnen. Wie bei einem Baukasten türmte Moodysson ein dramaturgisches Klötzchen auf das andere: zu Thailand, das Thai-Mädchen im Halbdunkel, zur überlasteten New Yorker Unfall-Ambulanz die überforderte Ärztin im Laufschritt, in Manila lauern die Kinderschänder an jeder dusteren Ecke usw. Was nicht von sich aus über genügend Symbolkraft verfügt, bekommt noch ein Extra (Mammut-Elfenbein-Füllfederhalter) obenauf. Es ist halt ein Weinen in der Welt! Das wusste schon die Bibel. Aber noch so dick auftragende Filme wie „Mammoth“ helfen da nicht wirklich weiter – selbst Bernal mit Dackelblick über dem Dreitagebart hat schon besser chargiert…
ÜBRIGENS:
Moodyssons „Mammoth“ ist nicht zu verwechseln mit dem französischen „Mammuth“ (von Benoit Delépine & Gustave Kervern). Die witzige Komödie mit Gérard Depardieu ist erst ab 16. September in den deutschen Kinos zu sehen: Er spielt einen ehemaligen Metzger, dem für die Rente noch Verdienstbescheinigungen fehlen. Deshalb macht er sich mit seiner gewaltigen Münch-Mammut quer durch Frankreich auf die Reise….