Beträchtliches Aufsehen erregte 1987 der Fernseh-Zweiteiler „Wahnfried“ von Peter Patzak. Gedreht nach einer Vorlage von Reinhard Baumgart. Zum ersten Mal stand Richard Wagner im Mittelpunkt eines Spielfilms. In der Titelrolle Otto Sander. Und es geht einmal nicht um Wagner und Ludwig II., sondern um Wagners Beziehung zu Cosima. Eine delikat gefilmte Chronique scandaleuse, die auch die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit berücksichtigt. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Philosoph Friedrich Nietzsche, der von Christoph Waltz gespielt wird. Dem Umstand der aktuellen Prominenz des Schauspielers durch seine mehrfach ausgezeichnete Rolle in Tarantinos „Inglourious Basterds“ ist es wohl zu verdanken, das „Wahnfried“ den Weg in die DVD-Verkaufsregale gefunden hat. Leider muss die bei Lighthouse erschienene Edition ohne jegliche Extras auskommen. Eine etwas lieblose Angelegenheit.
Seit 1913 kommt Richard Wagner in der Filmgeschichte vor. Meistens eben nur im Zusammenhang mit dem Bayernkönig „Ludwig II.“: „Wagner, immer wieder Wagner, und doch traut sich so richtig keiner an den Komponisten heran“, schreibt Hans Günther Pflaum im Begleitheft zur DVD mit frühen Ludwig-Stummfilmen aus der Edition Filmmuseum.
Es dauerte 25 Jahre, bis sich 1955 mit Helmut Käutner wieder ein Regisseur an das heikle Thema wagte. Die tragische Biographie des Bayernkönigs als gefühliges Starkino im bundesdeutschen Wirtschaftswunder: O.W. Fischer spielte in „Ludwig II. – Glanz und Elend eines Königs“ die Titelrolle, Paul Bildt Richard Wagner. Außerdem sind Ruth Leuwerik (Sissi) und Klaus Kinski (Bruder Otto) mit von der Partie. Wenig Politik, dafür viel Wagner-Musik. In mehreren Editionen ist Käutners „Ludwig“ von Kinowelt zu haben – inzwischen eine Schlüsselfilm für die westdeutsche Seelenlage der 1950er Jahre. Da würde es sich lohnen, die technisch makellose DVD mit einem anständigen Bonusteil auszustatten.
Wenig Glück hatte der Opernliebhaber Luchino Visconti mit seinem 1972 als internationale Koproduktion inszenierten „Ludwig“-Film. Die Premierenkritiken waren verhalten, die Erwartungen der Produzenten wurden enttäuscht. Ludwigs Leben als große dramatische Oper. Typisch Viscontis Wagnerbild: annähernd realistisch – gespielt von Trevor Howard – als Filou, der die Schwäche des Monarchen skrupellos ausnutzt. Besondern rabiat ging der deutsche Koproduzent mit dem Film um, in dem er ihn durch brutale Schnitte in die Nähe des Käutner-Films zu rücken versuchte. Erst nach dem Tod des Regisseurs konnte die ursprüngliche Fassung rekonstruiert und dem Film seine Würdigung als Meisterwerk zuteil werden. Die integrale Fassung diente als Ausgangsmaterial für die sehr schöne 3-Disc-Arthaus-Preminum-Edition mit reichlich Extras.
Ebenfalls 1972 drehte Hans-Jürgen Syberberg „Ludwig – Requiem für einen jungfräulichen König“. Teil eins seiner „Deutschen Trilogie“ – mit dem er dem deutschen Faschismus auf der Spur war. Harry Baer als König, der kleinwüchsige Gerhard März bzw. die Schauspielerin Annette Tirier als Richard Wagner. Das opulente Werk hat die Filmgalerie 451 in einer Doppel-DVD-Edition veröffentlicht. Leider auch ohne zusätzliche Materialien.
Um mehr über den spannenden Film zu erfahren, muss man sich zur Homepage des Regisseurs – www.syberberg.de – aufmachen. Wer die konzeptionellen Hintergründe und die Produktionsbedingungen von „Ludwig-Requiem für einen jungfräulichen König“ nicht kennt, für den bleibt Syberbergs Hommage über die Seelenverwandtschaft von Ludwig und Richard Wagner (nur ein Aspekt innerhalb des Films) leicht im Ungefähren, in dem die Musik in Verbindung mit der kitschigen Selbstinszenierung des Königs als Vorboten kommenden Unheils erklärt wird.
Außerdem vermittelt Hans-Jürgen Syberberg mehr noch als Käutner und Visconti – und natürlich auch Patzak/Baumgarten – einen Eindruck von der Schwierigkeit, Ludwig II. und Richard Wagner filmisch bei zu kommen. Also: nach wie vor eine Herausforderung für risikofreudige Filmemacher: Der definitive Richard Wagner-Film steht nämlich immer noch aus …
Dazu noch ein Hörfunk-Beitrag:
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