Filme für Kinder führen in der Bundesrepublik ein Schattendasein. Erst in diesem Jahr konnte sich die Deutsche Filmakademie dazu durchringen, für die „Lola“ in diesem Genre zwei statt bisher nur einen Film zu nominieren. Von Ausnahmen – Aktuell: „Tom Sawyer“ – abgesehen, ist das Filmangebot in den hiesigen Kinos mehr als mager. Obwohl die „Medien-und Filmgesellschaft Baden-Württemberg“ entsprechende Programm auszeichnet. Es gibt Filmtheater im Lande, die den Kinogängernachwuchs mit entsprechenden Angeboten fördert. Aber da bedeutet emsige Suche in Nischen, wenn es mehr sein soll, als ein Kanon einer Handvoll aktueller Filme. Ganz anders war das einst in der DDR: die staatliche Defa verfügte über eine eigene Kinderfilmabteilung. Eine Tradition, die mit der „Wende“ ein Ende hatte: sowohl der kürzlich verstorbene Regisseur Helmut Dzuba als auch sein Kollege Rolf Losansky konnten ihre Karrieren nach 1989 nur bedingt fortsetzen. Das zurzeit in Ludwigshafen stattfindende „8. Festival des deutschen Films“ erinnert mit einer Hommage an das Werk von Rolf Losansky. Anlass, sich die wichtigsten Filme des inzwischen 81jährigen Filmemachers näher anzusehen. Es gibt sie von Icestorm-Entertainment auf DVD.
Rolf Losansky – Jahrgang 1931 – war über Jahrzehnte einer der bekanntesten und beliebtesten Filmemacher in der DDR. Der gelernte Buchdrucker ist über den zweiten Bildungsweg zum Film gekommen. Bereits sein Spielfilmdebut von 1963 „Die Suche nach dem wunderbunten Vögelein“ zeigte, worauf es Rolf Losansky in seinen Filmen ankommt: ein kritischer Blick auf die Gesellschaft der Erwachsenen, die das Staunen ebenso verlernt haben wie die Phantasie! „…verdammt, ich bin erwachsen“ ist der Titel eines anderen Losansky-Films…
Eine neue Dimension des Kinderfilms und einer seiner großen Erfolge gelang Rolf Losansky 1977 mit „Ein Schneemann für Afrika“ – auf DVD gibt es ihn von Icestorm Entertainment. Komplex und doch kindge-mäß erzählt der Film von der Verantwortung, ein einmal gegebenes Versprechen auch einzulösen. Auch dann, wenn es schwierig wird…
Der Karli ist ein deutscher Seemann, der ab und zu auch nach Afrika kommt. Da hat er sich mit Asina angefreundet, einem aufgeweckten kleinen Mädchen. Im letzten Moment als sein Schiff in Rostock im Begriff ist abzulegen, fällt Karli ein, was er Asina versprochen hat. Woher auf die Schnelle ein Geschenk hernehmen, das es in Afrika nicht gibt? Da kommt dem Matrosen der Zufall zu Hilfe… Kinder schenken ihm einen Schneemann…und den nimmt Karli mit auf die Reise – im Kühlschrank des Schiffes. Das findet der Bootskoch gar nicht lustig!
Die phantastische Reise nimmt Losansky zum Anlass für eine Folge witziger Momente; spielt ausführlich mit der Frage, wie das mit dem Schnee in Afrika funktionieren soll. Unter der Hand nimmt „Ein Schneemann für Afrika“ so dem fremden Kontinent seine Exotik. Zeigt, dass Kinder hier wie dort dieselben Wünsche und Hoffnungen haben und die Realität manchmal zu Kompromissen zwingt. Ein Schneemann schmilzt nun mal an der Sonne…
Asina findet schließlich einen Weg, wie ihr Schneemann Kasimir gerettet werden kann – allerdings muss sie sich dafür von ihm trennen. Ein weiterer Clou bei „Ein Schneemann für Afrika“ ist die Animation der Schneemann-Sequenzen durch die Puppentrick-Pionier Kurt Weiler. Sie sind derart perfekt in die Spielfilmhandlung integriert, das dem Werk sein Alter nicht anzusehen ist – und er Kinder im Vorschulalter auch heute noch fesselt…
„Der lange Ritt zur Schule“ gehört zu den originellsten deutschen Kinderfilmen überhaupt: Rolf Losanski hat ihn 1982 gedreht. Wieder geht es um die magischen Momente im Leben und Freunde am Fantastischen.
Alex ist ein As im Sport, aber viel mehr interessieren ihn die vielen spannenden Dinge, die das Leben für einen kleinen Jungen am Wege parat hält. Da ist zum Beispiel „Pferde-Krüger“ mit seinem Bauernhof, den man sich ohne Weiteres als Ranch im Wilden Westen vorstellen könnte…
Dank Alex blühender Phantasie kommt der Wilde Westen direkt ins heimische Wohnzimmer: Geschickt und kindgemäß verbindet Rolf Losanski in „Der lange Ritt zur Schule“ Westernmotive mit der biederen DDR-Wirklichkeit. Ein Plädoyer für mehr geistige Be-weglichkeit im tristen SED-Staat. Auch das ein Film, der großen Spaß macht – selbst wenn die gesellschaftliche Wirklichkeit eine andere ist als die heutige. Aber das Kinder mit ihrem Freiheitsdrang gelegentlich Eltern an die Nerven gehen können, ist zeitlos…
Ein Jahr nach „Der lange Ritt zur Schule“ inszenierte Rolf Losanski mit „Moritz in der Litfaßsäule“ seinen bekanntesten Film, der ihn über die DDR hinaus bekannt gemacht hat: Moritz ist Neun und eckt überall an. Ein bedächtiger Junge, der Allem gerne auf den Grund gehen möchte. Aber da gibt es so viel, was es zu ergründen gibt. Deshalb kommt Moritz bei den angeblich wichtigen Dingen des Lebens – wie der Schule – immer zu spät.
Als ihm dann auch noch sein Vater Vorwürfe macht und zu mehr Leistung drängelt, nimmt Moritz Reißaus und findet in der Litfaß-Säule auf dem Marktplatz ein perfektes Versteck, das er allerdings mit einer Katze teilen muss.
Kindliche Fantasie unterläuft die rationale Welt der Erwachsenen, die viel zu beschäftigt sind, um die kleinen und großen Wunder am Rande des Alltags noch wahr zu nehmen. „Moritz in der Litfaßsäule“ ist voller liebevoller Momente – das klassische Beispiel eines gelungenen Kinderfilms.
Carola Huflattich ist um die Zehn und mit der Welt im Dauerclinch: mit den Lehrern in der Schule und den Eltern sowieso. Sie besteht auf ihrem persönlichen Stil in jeder Beziehung. Eines Tages begegnet sie im Schulkeller einem Gespenst: „Das Schulgespenst“ heißt der Film von Rolf Losanski aus dem Jahr 1986:
Carola freundet sich mit dem Gespenst an und tauscht schließlich mit ihm seine Persönlichkeit. Das hat seine Schattenseiten: das Gespenst ist nämlich in Carolas Gestalt das ideale Kind, das sich alle immer gewünscht haben: adrett, artig und freundlich. Es gelingt Rolf Losanski in „Das Schulgespenst“ ganz ohne pädagogischen Zeigefinger ein herzhaftes Plädoyer zum Lobe der Individualität und der Freiheit, seinen eigenen Stil zu wählen. Das wollte was heißen in der DDR der 1980er Jahre. Ein Kinderfilm, der zeigte, das sich was ändern muss. Aber das ist nur eine Seite dieses bewundernswerten Films, der einfach Spaß macht: Filme von Rolf Losanski gibt es von Icestorm Entertainment. Sie kosten jeweils zwischen acht und 10 Euro.