Originaltitel: Unmade beds
Großbritannien 2008
Regie: Alexis dos Santos
Mit Fernando Tielve, Déborah Francois, Michel Huisman
Kinostart: 12. August 2010 (Kool Filmverleih)
Den meistens ganz und gar nicht lustigen Alltag und seine Herausforderungen, ernsthaft und doch mit Humor zu beschreiben, ist eine Spezialität englischer Filmemacher wie Mike Leigh oder Stephen Frears. Der argentinische Regisseur Alexis dos Santos hat bei Frears gelernt: Eine Kombination aus der Experimentierfreude des neuen Lateinamerikanischen Kinos und der klassischen Englischen Komödie gelang ihm mit seinem neuen, in London gedrehten Film „Unmade beds“, der jetzt mit dem Allerweltstitel „London Nights“ in unsere Filmtheater kommt.
Es waren genau 21 Betten, in denen der junge Spanier Axl (Fernando Tielve) zumindest in letzter Zeit übernachtet hat, bevor er in einer Künstler-WG in London untergekommen ist. Neben Mike (Iddo Goldberg), dem Musiker, lebt hier auch Vera (Déborah Francois) aus Belgien. Sie will eine gescheiterte Beziehung vergessen und hat sich vorgenommen, sich nie mehr zu verlieben.
Deshalb ist sie vorsichtig, als sie in einer Kneipe einen jungen Mann (Michel Hulsman) kennen lernt. Man ist sich auf Anhieb sympathisch. Schwindelt sich aber etwas vor: Vera ist ebenso wenig Stewardess, wie ihre Zufallsbekanntschaft Wachmann auf dem Flughafen. Während die beiden durchaus menschliche Nähe, Zärtlichkeit und ein bisschen Sex suchen, wahren sie doch ihr Inkognito. Aus Angst vor neuen seelischen Blessuren.
Nicht um Vergessen, sondern um die Wiederentdeckung einer verlorenen Kindheit geht es Axl: er will in London seinen Vater finden, der die Familie verlassen hat, als der Junge noch klein war. Axl fühlt sich verlassen und orientierungslos. Es kommt vor, dass er sich betrinkt und anschließend den Faden zum Leben verliert.
Mike ist da als Tröster zur Stelle. Seine Zuversicht gibt Axl Mut, den Vater (Richard Lintern) ausfindig zu machen – inzwischen Makler für Immobilien der gehobenen Preisklasse. Axl stellt sich ihm als Sohn reicher Eltern vor, der eine exklusive Wohnung sucht. Dabei kann er sich persönliche Fragen nicht verkneifen.
Axl geht es nicht darum, die abgebrochene Beziehung zum Vater wieder herzustellen, sondern allein um die Klärung seiner eigenen Gefühle. Vera wird sich am Ende doch wieder verlieben und ihr Freund mit sich ins Reine kommen…
Regisseur Alexis dos Santos ist gebürtiger Argentinier. Er lebt abwechselnd in Buenos Aires, Paris und London. In Interviews betont der inzwischen 39jährige gerne, dass er als Kosmopolit noch nie in seinem Leben „richtig“ gearbeitet hat. Filmemachen sei für ihn ein schöner Zeitvertreib. Diese Lebensmaxime findet sich auch in „London Nights“ wieder, der im Original „Unmade beds“ heißt.
Federleicht, aber nie oberflächlich, ist dos Santos in seinem zweiten Film (nach „Glue“, 2006) dem Lebensgefühl und der Weltsicht der heute 20jährigen auf der Spur. In einem kühnen Stilmix aus Videoauf-nahmen, animierten Standbildern und konventionellem Film zeigt er eine skeptische Generation, die neugierig und ausdauernd zur eigenen Mitte findet: wissend, dass es bei aller Gemütlichkeit irgendwann an der Zeit ist, aufzuräumen und die „Betten zu machen“! Alexis dos Santos hat mit „Unmade beds“ bzw. „London Nights“ einen vorzüglichen Film gedreht: für Eltern und ihren halbwüchsigen Nachwuchs gleichermaßen unterhaltsam wie lehrreich. Am besten geht man dazu – ideal jetzt zur Ferienzeit – einmal wieder gemeinsam ins Kino!