In Mössingen bin ich aufgewachsen. Ein Dorf am Rand der Schwäbischen Alb. Anfangs war der Bahnhof für mich als Kind die Attraktion. Dann folgte das Kino, die „Lichtspiele Mössingen“ – 1952 war es von einem reichen Fahrradhändler für seine Söhne gebaut worden. Alles vom Feinsten: edle Wandbespannung mit entsprechenden Lüstern, ein schwerer weinroter Samtvorhang, eine riesige Leinwand usw. Meine Entdeckung der Lichtspiele im Besonderen wie im Allgemeinen war zunächst ein Desaster. Meine cineastisch gebildete Mutter meinte es gut mit mir und suchte für meinen ersten Kinobesuch „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ aus. Da war ich vier. Bei der Szene mit dem Apfel gab es für mich keinen Halten mehr: mit Angst-Gebrüll strebte ich dem Ausgang zu! „Nie wieder Lichtspiele“, schwor ich mir unter Schluchzen. So vergingen fünf kinolose Jahre meiner Kindheit. Mama ließ nicht locker! Etwas ohne scheintote Prinzessinnen und böse Stiefmütter sollte es diesmal sein! 1959 war der Wiener Komödiant Peter Alexander auf dem Höhepunkt seiner Karriere mit musikalischen Klamotten: eine hieß „Wehe, wenn sie losgelassen!“. Eines Sonntagnachmittags begleitete ich Mama in diesen Film – und ich war im siebten Himmel.
Fortan ging ich dreimal die Woche in die Lichtspiele, wurde Stammgast und träumte davon, mein Leben vorwiegend im Kino zu verbringen. Mein Weg zum Filmkritiker war damit vorgezeichnet. Die Lichtspiele gibt es in Mössingen (inzwischen „Große Kreisstadt“) immer noch – und sie sind so schön wie damals bei „Wehe, wenn sie los gelassen“! Sie werden übrigens jedes Jahr vom Land Baden-Württemberg für ein niveauvolles Programm ausgezeichnet…