Im Insektengarten von Jean-Henri Fabre.
Ein Film von Bernhard Koch
„Hosch dai Guck d’rbei“ (Hochdeutsch: „Hast du deine Tüte dabei“) ist der kultige Titelsong des Films „Heimler“, dem Regie-Debut von Bernhard Koch aus dem Jahr 2000. Die rührend tragikomische Beschreibung einer Odyssee durch die Schwäbische Alb bei Reutlingen und die Seelenlandschaften ihrer Bewohner. Da denkt man meistens pragmatisch, anderseits aber auch um die Ecke. Nicht-Älbler können damit Probleme haben. Ebenso wie es auf und an der Schwäbischen Alb gelegentlich lieblich eben gerade aus gehen kann, um den Besucher dann wieder – zumal wenn er mit dem Velo unterwegs ist – durch jähe Aufstiege und ebenso unverhoffte Abhänge zu erschrecken.
Deshalb spielt in Bernhard Kochs Filme die Natur eine wichtige Rolle. Im Fiktionalen wie im Dokumentarischen: selbst in seinen Werbespots für die heimische Industrie. Da geht es zum Beispiel um die segensreiche Wirkung der Kettensäge im Forst.
Nebenbei kümmert sich Bernhard Koch um den filmenden Nachwuchs mit dem von ihm entwickelten Medienkonzept „Sehen und Drehen“: Auf der Homepage von Kochs Produktionsfirma „Schwarzer Panther Film“ (www.schwarzer-panther-film.com) steht dazu:
„Bei ‚Sehen und Drehen’ geht es einerseits um das bewusste Wahrneh-men und das Entschlüsseln von filmischen Mitteln. Andererseits wird aktiv zur Realisierung von Filmprojekten angeleitet. Themenschwer-punkte finden sich in der Schul- und Jugendarbeit, im Bereich Integration und Sozialisation sowie in alltagsbezogenen Brennpunkten. Ziel eines jeden Seminars ist es, das Medium Film verständlich zu machen und lebensbezogen anzuwenden. Die Freude an Filmen und am Filme-machen sowie die Kommunikation durch Filme stehen immer im Vordergrund!“
Das ist auch Bernhard Kochs eigene (wissenschaftlich vererdete) Maxime und wirkt ansteckend. Deshalb präsentiert er seine Filme auch am liebsten selber – ganz uneitel und selbstverständlich nimmt er für sich und seine Arbeiten ein. Deshalb entziehen sich „Heimler“ (2000), „Das Buch Daniel“ (2005/2007) oder „Sommerloch“ (2003) den meist anonymen Gesetzmäßigkeiten üblicher Kinovermarktung.
Neue Vertriebs-Wege geht Bernhard Koch auch bei seinem jüngsten Werk: „L’Harmas – Das Brachland. Im Insektengarten des Jean-Henri Fabre“.
Der Dokumentarfilm erschien dieser Tage auf DVD im Berliner Matthes & Seitz Verlag (Preis: 14.90€) und flankiert die erste vollständig ins Deutsche übersetzte Ausgabe der „Erinnerungen eines Insektenforschers“ von Jean-Henri Fabre. Die ersten beiden, der auf zehn Bände angelegten Edition sind in diesem Frühjahr veröffentlicht worden.
Fabre lebte von 1823 bis 1915 und war eine der interessantesten Persönlichkeiten des ausgehenden 19. Jahrhundert. Eigenwilliger Wissenschaftler und Poet in einem. Sein Zeitgenosse Maurice Maeterling hat ihn einmal so charakterisiert:
„Jean-Henri Fabre ist eine der erhabensten und reinsten Zierden, die die zivilisierte Welt gegenwärtig besitzt, einer der gelehrtesten Naturforscher und einer der wunderbarsten Dichter im modernen und wahrhaften Sinne des Wortes. Er gehört zu denen, die ich in meinem Leben am meisten bewundere“.
Fabre hat sich im reifen Alter von 56 einen Lebenstraum erfüllt: Er kaufte sich ein weitläufiges Grundstück in der Provence. Brachland, in dem er ein Ökotop anlegte, um Insekten in aller Ruhe beobachten zu können. Bernhard Koch machte sich für seinen Film „L’Harmas – Das Brachland“ auf die Suche nach Spuren Fabres heute. Dabei traf er Friedrich Koch (mit ihm ist er weder verwandt noch verschwägert), dem wir die späte deutsche Entdeckung Fabres verdanken und zwei Gärtner.- Sie haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Insektengarten des Forschers ihn seinem Sinne zu erhalten sowie den Fabre-Illustrator Christian Thanhäuser.
Kochs Film ist wieder eine sympathische Annäherung an Persönlichkeiten, die ihre Passion gefunden haben. Nebenbei ein filmisch intensiver Ausflug in die sommerliche Provence. Die DVD „L’Harmas“ macht außerdem große Lust, Jean-Henri Fabre zu lesen.
Die Werkausgabe von Matthes & Seitz Berlin lässt auch editorisch keine Wünsche offen: eine heute selten gewordene bibliophile Ausstattung mit echtem Leineneinband und Lesebändchen; angenehm lesbarem Druck – und dann die Illustration mit den filigranen Federzeichnungen Christian Thanhäusers. Mit ihm ist Bernhard Koch befreundet und er war es dann auch, der ihn zu dem Dokumentarfilm angeregt hat:
Der Filmemacher Koch hat eben nicht nur „sai Guck drbei“, sondern „au no ebbes Schees denna!“ (Hochdeutsch: „auch noch etwas Schönes drin“):
Die zehn Bände der deutschen Ausgabe von Jean-Henri Fabres „Erinnerungen eines Insektenforschers“ kosten bei Subskription der Gesamtausgabe pro Band 29.90€ – der Einzelband 36.90€.
P.S. Ein zufällig aufgeschlagener, aber für das Werk bezeichnender Satz Fabres: „Ich frage mich vergeblich, welcher Proudhon das kühne Paradox ‚Eigentum ist Diebstahl‘ in die Sitten des Scarabaeus eingeführt hat und welcher Diplomat das unkultivierte Prinzip ‚Kraft geht vor Recht‘ bei den Mistkäfern zu Ehren brachte…“
Bernhard Koch im Gespräch mit Herbert Spaich – SWR cont.ra Film, 7.8.2010:
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