Israel 2009
Regie: Samuel Maoz
Mit Yoav Donat, Itay Tiran, Oshri Cohen
Kinostart: 14. Oktober 2010 (Senator)
Der Libanon-Feldzug von 1982 ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Staates Israel. Traurige Berühmtheit erlangten zum Beispiel die Massaker in den zwei Flüchtlingslagern, die unter den Augen der israe-lischen Armee von christlich-syrischen Milizen begangen wurden. Inzwischen setzen sich damit auch israelische Filmemacher auseinan-der, die als junge Männer in diesen Krieg geschickt wurden. Nach dem Animationsfilm „Waltz with Bashir“ kommt jetzt mit „Lebanon“ ein weiterer Film zu diesem Thema in unsere Kinos. Das umstrittene Werk ist im vergangenen Jahr mit dem „Goldenen Löwen“ der Filmfestspiele von Venedig ausgezeichnet worden.
Sommer 1982: Die Israelische Armee ist im Libanon auf dem Vormarsch: vier junge Soldaten sollen mit ihrem Panzers eine Fallschirmspringer-Einheit bei der Okkupation einer Stadt unterstützen. Es ist ihr erster Fronteinsatz.
Schon bald zeigt sich, dass sie mitten in einem blutigen Krieg sind, bei dem nicht auf Attrappen, sondern auf Menschen geschossen wird. Die Lage für die Panzerbesatzung verschärft sich, als sie durch einen Navigationsfehler die Orientierung verlieren.
Menschlichkeit und die Würde des Einzelnen bleiben nach und nach auf der Strecke. Ein gefangener Libanese, den die Israelis ein Stück weit in ihrem Panzer mitnehmen müssen, wird vor ihren Augen von syrischen Falangisten – Israels Verbündete – misshandelt. Sie können davon ausgehen, dass anschließend umgebracht wird.
Der Film „Lebanon“ spielt ausschließlich im Panzer, einer versiften Gruft, in der das Schwitzwasser von den Wänden tropft. Die Außenwelt und die Katastrophen, die die Männer mit ihrem Geschütz anrichten, werden fast aussichließlich durch ihre Zielfernrohre wahrgenommen. Man glaubt als Zuschauer den Gestank und bedrückende Enge förmlich zu spüren. So intensiv hat Samuel Maoz seinen Film inszeniert. Es ist sein Versuch, die eigenen traumatischen Erfahrungen als Panzerschütze im Libanonkrieg filmisch aufzuarbeiten. Er schrieb dazu:
„ Wieder einmal litt ich unter finanziellem Druck, Antriebsschwäche und einem geradezu verrückten Mangel an Verantwortungsgefühl. Einmal fragte mich jemand: ‘Das klingt nach posttraumatischer Belastungsstörung. Hast du Albträume wenn du dich an den Krieg erinnerst?‘ Ich wünschte es wäre so einfach, dachte ich bei mir. Wenn jemadn das Gefühl hat, nichts mehr verlieren zu können, ist er bereit, Risiken einzugehen. So fühlte ich mich Anfang 2007, als ich begann das Drehbuch zu ‚Lebanon‘ zu schreiben. Ich hatte beschlossen, alles auf eine Karte zu setzen. Diesmal würde ich vor dem Geruch fliehen, der immer zuerst kam und ich würde mich zu den verschwommenen Erinnerungen führen lassen. Ich wollte sie scharf stellen, mitten hinein tauchen und mich ihnen stellen!“
Dieser radikale Akt subjektiver Trauerarbeit ist das Problem des Films „Lebanon“. Er bleibt damit weit hinter Ari Folmans „Waltz with Bashir“ (2008) zurück. Im Gegensatz zu ihm setzt Samuel Maoz auf eine Dramaturgie der Überrumpelung, die jegliche politische Dimension vermissen lässt. Man könnte angesichts von „Lebanon“ leicht zu dem Schluss kommen, dass es hier – wie so oft bei diesem Genre – nicht um die Verurteilung des Krieges als Barbarei geht, sondern lediglich um einen falsch geführten Krieg… Deshalb hinterlässt „Lebanon“ im Rückblick ziemlich zwiespältige Gefühle!