Der Name Karel Zeman steht in jeder Filmgeschichte. Im öffentlichen Bewusstsein ist der tschechische Trickfilmregisseur – erlebte von 1910 bis 1989 – nahezu vergessen. Eine vier DVDs umfassende Werkausgabe will zur Wiederentdeckung des Klassikers einladen. Zemans kühne Adaption von Jules Vernes Gedankenwelt in „Erfindung des Verderbens“ hat ihn 1957 im Westen bekannt gemacht und ist bis heute seine populärste und vielleicht auch beste Arbeit geblieben. Der Film steht im Mittelpunkt der jetzt bei „Ostalgica“ erschienen kleinen Werkauswahl des Regisseurs:„Die Erfindung des Verderbens“ handelt von dem so genialen wie weltfremden Wissenschaftle, der an einem Sprengstoff arbeitet, der alle bisher bekannten Schrecken übertreffen soll: Sein Labor – mit idealen Arbeitsbedingungen – befindet sich in einer Stadt unter dem Meer: Die Herren der Stadt sind skrupellose Piraten, doch das übersieht der eifrige Forscher. Er ist von der Idee besessen, etwas Großes zu schaffen. Dabei merkt der Erfinder nicht, dass er dabei ist, ein teuflisches Instrumentarium auf den Weg zu bringen und damit einem menschenverachtenden Regime als Steigbügelhalter zu dienen: Von seinem Assistenten über das ganze Ausmaß des totalitären Regimes seiner Auftraggeber in Kenntnis gesetzt, versucht der Wissenschaftler auf Distanz zu gehen. Doch da ist es fast schon zu spät.
Das nach wie vor Spektakuläre an Karel Zemans „Die Erfindung des Verderbens“ ist die einzigartige Kombination aus Real-und Zeichen-trickfilm: dabei versetzte der Regisseur seine Schauspieler in ein Ambiente, das an Buchillustration aus dem späten 19. Jahrhundert erinnert – vor allem an die Erstausgaben der Romane Jules Vernes. Aber auch der frühen Fotographien. Vor dem Hintergrund der damaligen Produktionsbedingungen, als man an die Möglichkeiten heutiger Digitaltechnik noch nicht einmal im Traum dachte, ein Wunder der Kinemathographie: Karel Zeman drehte eine Parabel auf den Zeitgeist des Kalten Krieges mit dem atomaren Wettrüsten von Ost und West. Wobei er klug offen lässt, unter welche Räuber sein weltfremder Forscher in „Die Erfindung des Verderbens“ gefallen ist. Heute gehört der Film zu den stilbil-denden Klassikern des Animationsfilms. Die DVD enthält ihn in einer technisch einwandfreien remasterten Fassung.
Gottfried August Bürgers „Münchhausen“ hat Karel Zeman 1961 ebenfalls mit Blick auf die Gegenwart variiert. Ein Astronaut trifft den Lügenbaron auf dem Mond. Anschließend begleitet ihn Münchhausen durch eine Welt, in der Willkür, Arroganz und der Übermut der Ämter zu Hause sind: Bei „Baron Münchhausen“ ließ Karel Zeman erneut reale Schauspieler in gezeichneten Kulissen agieren. In Kombination mit farblich verfremdeten Dokumentaraufnahmen, erzielte der Regisseur neue, verblüffende Wirkungen. Sein „Baron Münchenhausen“ ist in seiner Vielschichtigkeit und politischen Weitsicht der deutschen Prestige-Produktion „Münchhausen“ von 1943 überlegen, bei der Josef von Baky Regie führte. Zemans schönen Film auf DVD zu veröffentlichen, ist eine verdienstvolle Sache.
Der gelernte Werbegraphiker Karel Zeman begann seine Filmkarriere nach 1945 mit Puppenfilmen. Das Genre hatte damals in Osteuropa bereits eine lange Tradition. Dabei wurden vor allem Märchenstoffe verarbeitet.
Phantasie vor allem großes handwerkliches Geschick waren die notwendigen Voraussetzungen. Zeman verfügte über beides: die DVD-Edition enthält dazu drei Frühwerke des Filmemachers. Ein erstes Meisterwerk ist „Inspiration“. Bei dieser Hommage an das Genre arbeitete Zeman mit Glasfigurinen und ebenso fragilen Papierpuppen. In seiner poetischen Verbindung aus Musik und Animation erinnert der Kurzfilm entfernt an Disneys „Fantasia“.
Klassischen Puppentrick benutzte Karel Zeman 1950 bei „Der König mit den Eselsohren. Mit stilisierten Holzpuppen erzählt der hinterlistige Film die Geschichte eines Königs, der ein Geheimnis hat: unschöne Esels-ohren. Die trägt er meistens unter langen Haaren verborgen. Allein vor dem Friseur kann er sie nicht verstecken. Deshalb lässt er sie auch nach dem Haarschnitt hinrichten. Bis ihn eine Friseuse überlistet. Eine Parabel auf den Stalinismus.
Mit „Der Schatz der Vogelinsel“ drehte Karel Zeman 1952 seinen ersten langen Puppenfilm. Ein Meilenstein in der Geschichte des Genres, von dem noch heute Stopp-Motion-Künstler wie Henry Selick zehren. Auch beim „Schatz der Vogelinsel“ geht es Zeman um materielle Macht contra Menschlichkeit. Eingebettet in das Ambiente von 1001 Nacht. Wobei die nur vordergründig naive Fabel in die gesellschaftliche Wirklichkeit der 1950er Jahre verweist. Zemans Kapitalismuskritik unterläuft jedoch die politischen Dogmen der Zeit, in dem er auf das allgemein Menschliche verweist. Die bei Ostalgica erschienene Karel Zeman-Edition lädt dazu ein, den großen Pionier des Animationsfilms wieder zu entdecken. Preis pro DVD zirka 11 Euro.
Die cont.ra DVD-Sendung „Karel Zeman“
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