Originaltitel: Csak a szél
Ungarn/Deutschland/Frankreich 2011
Regie: Bence Fliegauf
Mit Katalin Toldi, Gyöngyi Lendvai, Lajos Sárkány, György Toldi
Kinostart: 17. Juli 2012
Ungarn macht in den letzten Jahren immer wieder unerfreuliche Schlagzeilen: dabei geht es in der Regel um die brutale Politik der Ausgrenzung der Roma-und Sinti-Minderheiten im Lande. 2011nahm der renommierte ungarische Regisseur Bence Fliegauf die Affäre um die Ermordung mehrerer Roma-Familien zum Anlass für seinen Film „Just the Wind“, der bei den Berliner Filmfestspielen 2012 mit dem „Großen Preis der Jury“, dem „Friedensfilmpreis“ und dem „Amnesty International Filmpreis“ ausgezeichnet wurde. Diese Woche startet „Just the Wind“ auch in den deutschen Kinos.
Zu erwarten ist ein schöner Sommertag: Mari weckt ihre beiden Kinder Rio und Anna. Sie leben in einer Roma-Siedlung im Wald in der Nähe einer ungarischen Großstadt. Während sich die Kinder auf den Weg zur Schule machen, fährt Mari zur Arbeit in die Stadt. Sie jobbt vormittags bei der Stadtreinigung, nachmittags putzt sie in der Schule.
Mari hat gelernt mit den kleinen Diskriminierungen im Alltag um zu-gehen: der Bus hält nicht an der Haltstelle, sondern 100 Meter weiter, der Hausmeister in der Schule macht anzügliche Bemerkungen, die Kollegin moppt. Aber heute ist Mari gestresst. Beunruhigt von einem Anschlag in der Nachbarschaft, bei dem die gesamte Familie erschossen wurde.
Auf dem Weg zur Schule begegnet Anna einer Gruppe Roma, die eine Art Bürgerwehr gebildet haben und nach Fremden fragen, die sie möglicher Weise gesehen hat. Raten ihr dringend, ihr Handy immer angeschaltet zu lassen. Latente Gewalt liegt in der Luft. Da bekommt der vage Verdacht in der Schule eine bedrohliche Dimension, Anna könnte etwas mit einem verschwundenen Monitor zu tun haben.
Annas kleiner Bruder Rio traut sich heute nicht in die Schule, sondern stromert durch die Roma-Siedlung. Als er in einer Mischung aus Angst und Neugier in das Haus der ermordeten Familie einsteigt, kann er sich gerade noch einem Wandschrank verstecken, als zwei Polizisten auftauchen.
Fast beiläufig unterhalten sich die Beiden über nützliche und unnütze Roma: letztere sollten systematisch eliminiert werden. Der Eine gibt zu bedenken, es sei doch Unsinn, teure Munition an Roma-Kindern zu verschwenden. Der andere antwortet, das Dumme daran sei, das aus den Kindern einmal Erwachsene würden.
Inzwischen ist Mari auf dem Weg nach Hause und Zeuge einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Ungarn und Roma. Es wird Abend und schnell dunkel. Rio wird später als erster wach: Der Junge hat etwas gehört: Es ist nur der Wind, tröstet die Mutter. Aber es ist nicht der Wind…
Mit Laiendarstellern erzählt Bence Fliegauf in „Just the Wind“ am Beispiel einer fiktiven Familie vom Alltag der Roma im heutigen Ungarn. Von der systematischen Ausgrenzung einer Minderheit bis zum staatlich sanktionierten Mord. Ausschließlich mit der Handkamera gedreht, gibt der Regisseur seinem Film das beklemmende Gefühl einer Dokumentation. Das wird durch das direkte, ungekünstelte Spiel der Darsteller betont, die als Roma die geschilderten Verhältnisse aus eigener Erfahrung kennen. Spät, aber immerhin, kommt dieser wichtige Film jetzt auch in die deutschen Kinos – vernünftiger Weise in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln: Synchronisiert hätte „Just the Wind“ zwangsläufig seine Wahrhaftigkeit eingebüßt, die den Film so einzigartig machen und Allgemeingültigkeit geben!