Film-Konzepte – Heft 18
Herausgegeben von Thomas Koebner und Fabienne Liptay
Gastherausgeber: Peter Werner Schulze
edition text+kritik
116 Seiten, zahlreiche Abb.
20 Euro
Analog zu den cineastischen Aufbrüchen im Europa der 1960er Jahre mit der „Nouvelle Vague“, dem „Free Cinema“ oder dem „Jungen deutschen Film“ hatte sich eine neue Filmemachergeneration in Lateinamerika als „Cinema Nuovo“ zu Wort gemeldet und international reüssiert.
Die verschiedenen Diktaturen, Bürgerkriege und anderen gesellschaftspolitischen Zusammenbrüche in Südamerika haben dem Kino der Glauber Rocha und Nelson Pereira dos Santos über Jahrzehnte ein Ende gemacht.
Nachdem Südamerika in letzter Zeit zumindest politisch zur Ruhe gekommen ist, überraschen auf den Filmfestivals zwischen Berlin, Cannes und Sundance neue Talente nicht nur aus den traditionellen Filmländern wie Brasilien oder Argentinien, sondern auch aus den kleineren Nationen wie Peru, Kolumbien oder Ecuador mit erstaunlichen Produktionen.
Kompetent, wie man es von der Reihe „Film-Konzepte“ gewohnt ist, vermittelt Band 18 „Junges Kino in Lateinamerika“ dazu einen knappen, aber instruktiven Überblick. Neben dem Doyen unter den Kennern des Lateinamerikanischen Films Peter B. Schumann („Kubas Kino: Die neue Generation“) widmet sich zum Beispiel Florian Borchmeyer der „Explosion des chilenischen Kinos“. Borchmeyer hat vor einiger Zeit mit seinem Dokumentarfilm „Havanna – Die Kunst, Ruinen zu bauen“ Aufsehen erregt.
Aufschlussreich: Sven Pöttings Essay über die filmischen Trauerarbeiten der argentinischen Militärdiktatur( z. B. „Garage Olimpo“) oder die Würdigung des neuen Kinos in Peru, Ecuador und Kolumbien durch Ute Fendler. „Übergänge und Umbrüche hat Gastherausgeber Peter W. Schulze seine Einleitung genannt. Er fasst zusammen: „Statt politischer Gesamtansichten werden vermehrt individuelle Dimensionen in den Blick gerückt – ohne dass die Filme deswegen zwangsläufig weniger politisch wären. Gerade das künstlerisch bedeutsame Kino widmet sich häufig in kritischer Weise politischen Themen, die allerdings im Privaten erkennbar sind.“
Dafür sind Filme wie „La teta asustada/Eine Perle Ewigkeit“ von Claudia Llosa oder „Tropa de Elite“ von José Padilha die bekanntesten, bei der „Berlinale“ ausgezeichneten Belege. Sie werden in mehreren Beiträgen dieses Buches als Referenzfilme zitiert.
Das macht „Junges Kino in Lateinamerika“ zu einer konkreten Arbeitshilfe und zu einem nützlichen Wegweiser. Zumal die zitierten Filme nahezu ausnahmslos in Deutschland auf DVD zur Verfügung stehen.
Zum Beispiel ist „Tropa de Elite“ erst kürzlich in einer vorzüglichen Edition bei Senator/Universum erschienen. „La Nana/Die Perle“ von Sebastian Silva steht zurzeit noch auf dem Programm der Arthaus-Kinos.