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Filmspaicher

Rezensionen und Impressionen zu Film, Fernsehen und verwandten Künsten

Joris Ivens. Weltenfilmer

August 30, 2010 by herbertspaich Leave a Comment
Die Ivens-Edition von Absolut Medien

Die Ivens-Edition von Absolut Medien

Joris Ivens (1898 -1989) ist eine der prägenden Persönlichkeiten des Films im 20. Jahrhundert. Einer der Väter des modernen Dokumentarfilms. Obwohl in jeder Filmgeschichte ausführlich gewürdigt, war der eigene Augenschein seines Werks in Deutschland schwierig. In einer außergewöhnlichen Edition hat Absolut Medien in Verbindung mit der „Europäischen Stiftung Joris Ivens“   jetzt Abhilfe geschaffen.

Sie enthält die wichtigsten Filme des „Weltenfilmers“ auf fünf DVDs. Dazu eine ausführliche Monographie des Ivens-Experten André Stufkens als bibliophile Beigabe. Eine exemplarische Edition, die mit Ivens erstem cineastischen Versuch „Wigwam“ beginnt, den er im Alter von 15 Jahren drehte und bis zur Summe seines Cineastenlebens – „Eine Geschichte vom Wind“ reicht. So wünscht man sich die Aufarbeitung von Filmgeschichte.

Der "Weltenfilmer" bei Dreharbeiten in den 1920er Jahren (Bilder: Absolut Medien)

Der "Weltenfilmer" bei Dreharbeiten in den 1920er Jahren (Bilder: Absolut Medien)

Internationales Aufsehen hatte Joris Ivens bereits mit seinen Stummfilmen erregt, mit „Borinage setzte er 1934 Maßstäbe für einen gesellschaftspolitischen Dokumentarismus: Eine kompromisslose Beschreibung des sozialen Elends im“ Borinage“ genannten belgischen Bergbaurevier, nachdem ein Streik 1932 brutal niedergeschlagen wurde. Walter Benjamin würdigte den Film 1935 in „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit“ als Beispielhaft für die Transformation gefilmter Wirklichkeit zum Kunstwerk. „Borinage“ ist mehr als die Illustration gesellschaftlicher Verelendung. Wie alle Ivens Filme hat er eine poetische Dimension.

1937 war Joris Ivens einer der ersten Ausländer, der auf Seite der Internationalen Brigaden den spanischen Bürgerkrieg filmte. „Spanische Erde“ gehört zu den wichtigsten Dokumentarfilmen der 1930er Jahre.  Die Joris Ivens-Edition enthält ihn in einer komplett restaurierten Version. So ist der von Ernest Hemingway gesprochene Kommentar wieder zu verstehen:

Als Extra enthält die DVD „Spanische Erde“ eine ganz besondere Rarität. Eine Version, in der Hemingways Kommentar vom 22jährigen Orson Welles gesprochen wird. Gerade in den 1930er Jahren machte Joris Ivens der Bezeichnung alle Ehre. Nach Belgien und Spanien reiste er 1939 für ein neues Filmprojekt nach China. „Die 400 Millionen“ machten Ivens zum Chronisten des japanischen Überfalls auf das Reich der Mitte:

Ebenso erschütternd und zeitlos aktuell wie in „Spanische Erde“ beschreibt Joris Ivens in „Die 400 Millionen“ die verheerenden Auswirkungen eines Krieges auf Leib und Seele der Menschen. Beide Filme vertreten nur indirekt einen politischen Standort, sind dadurch aber erst recht  wirkungsvoll. André Stufkens verweist in seinem Begleitbuch auf die komplizierten innenpolitischen Verhältnisse, die nicht ohne Auswirkungen auf Ivens Dreharbeiten in China blieben. Da gab es den nationalistischen Hofstaat Chiang Kai-Sheks auf der einen und die linken Komitern auf der anderen Seite. Stufkens schreibt dazu wörtlich:

„Der Film ist damit die tatsächliche Wiedergabe eines maßgeblichen hi-storischen Moments in der chinesischen Geschichte, mit dem schwan-kenden Gleichgewicht der vereinigten Front zweier chinesischer Parteien, die zur Einheit verdammt sind und nur aus opportunistischen Gründen zeitweise zusammen arbeiten“.

Mit „Die 400 Millionen“ begann Ivens jahrzehntelange Beziehung zu China. Er wird das Land in den nächsten Jahrzehnten mehrfach besuchen und darüber Filme drehen. Die nächste Station seiner Filmarbeit waren 1940 jedoch die USA.

Die drei Dokumentarfilmpioniere Joris Ivens, Hans Richter, Robert Flaherty

Die drei Dokumentarfilmpioniere Joris Ivens, Hans Richter, Robert Flaherty

Ivens nächster Film „Elektrizität auf dem Land“ war eigentlich eine Auftragsarbeit für das amerikanische Landwirtschaftsministerium über den Fortschritt in der Agrarpolitik.Durch die Kunst Joris Ivens wurde aus „Elektrizität für das Land“ eine einfühlsame Beschreibung der Arbeit in der Landwirtschaft im amerikanischen Westen.

Am Beispiel einer Farmerfamilie zeigt der Film ein Leben in enger Verbindung mit der Natur – an der alle Generationen beteiligt sind. Ivens war einer der ersten Dokumentaristen, die durch die Personalisierung des Themas eine Identifikationsplattform für den Zuschauer schufen. Von diesem Kunstgriff zehrt der Dokumentarfilm bis heute. André Stufens zu einem anderen wesentlichen Aspekt dieses Films: „Elektrizität auf dem Land“ ist ein Schlüsselfilm  in Ivens Werk: Es ist sein autobiographischster Film (neben ‚Eine Geschichte über den Wind’ und ‚Rotterdam-Europoort’) und zeigt den Kern seines Filmwerkes auf einfache Weise: Eine romantisierte Natur gegenüber dem industriellen Fortschritt, mit dem Übergang von einer alten Agrarkultur zu einer modernen Welt.“

Urbanität und Natur brachte Joris Ivens 1957 in „Die Seine trifft Paris“ auf einen besonders schönen Punkt. Der Fluss und die Stadt in Korrespondenz mit den Menschen. Ein Poem Jacques Preverts, gelesen von Serge Reggiani, lieferte das dramaturgische Gerüst.

Ein frühes Beispiel für den Einbruch der Natur in die Urbanität einer Stadt – diesmal Amsterdam – hat Joris Ivens bereits 1929 mit dem 15 Minuten dauernden Film „Regen“ gedreht. Dazu enthält die Edition zwei Versionen mit unterschiedlichen Musiken. Einmal von Lou Lichtfeld aus dem Jahr 1932. Als Kontrast dazu „Regen“-Musik Nummer zwei, die Hanns Eisler 1941 im amerikanischen Exil für Joris Ivens komponierte. Hier ein Ausschnitt aus „Regen“ mit der Eisler-Musik:

Mit seiner unnachahmlichen Verbindung aus Poesie, menschlicher Anteilnahme und einem unbestechlichen Blick auf die Verhältnisse trug Joris Ivens 1968 mit seinem Film „Der 17. Breitengrad“ wesentlich zur internationalen Anti-Vietnam-Bewegung bei. Ivens beschreibt in diesem Film einen Alltag im Ausnahmezustand: in Vingh Lingh am 17. Breitengrad, der Demarkationslinie zwischen Nord-und Südvietnam. Die Bevölkerung ist durch die amerikanischen Bom-benangriffe gezwungen, in einem unterirdischen Tunnelsystem zu leben. „Der 17. Breitengrad“ ist einer der bekanntesten Joris Ivens-Filme und einer der wenigen, der mehrfach im Fernsehen ausgestrahlt wurde.

1988 drehte Joris Ivens schließlich zusammen mit seiner Frau Marceline Loridan „Eine Geschichte über den Wind“ – ein altersweises Filmpoéme: ein Roadmovie über das sinnliche Erleben von Licht und Schatten, Bewegung und Stillstand. Cinema Verité in seiner reinsten Form und filmische Bilanz eines langen Lebens. Auch davon enthält die Joris Ivens-Edition eine technisch makellose DVD. Alle Filme Joris Ivens auf fünf DVDs mit Begleitbuch im Schuber von Absolut Medien. Etwas für die ganz besonderen Momente im Leben: Preis: rund 63 Euro.

Posted in: DVD Tagged: 400 Millionen, André Stufkens, Borinage, Europäische Stiftung Joris Ivens, Hanns Eißler, Joris Ivens, Marceline Loridan-Ivens, Spanische Erde

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