Mit Texten von Dominik Graf und Freddy Langer
208 Seiten, 101 Farbtafeln
Verlag Schirmer/Mosel 2011 – ISBN 987-3-8296-0533-5
€ 49.80
„Faszinierend, dass er, wie unbeteiligt, Momente aus dem Leben anderer festhalten kann und gleichzeitig, ohne sich aufzudrängen, in der Lage ist, von sich zu erzählen.“ So fasste Peter Lindbergh in seinem Vorwort zum ersten Bildband Jim Raketes „Photographien“ (Schirmer/Mosel, 1997) das Universum seines Kollegen zusammen. Das trifft auch auf Band No. 3 zu, der jetzt zur Ausstellung mit Bildern von Jim Rakete im renovierten Deutschen Filmmuseum am Frankfurter Schaumainkai erschienen ist.
Ein Querschnitt durch die filmbekannte deutsche Schauspielerelite – vor und hinter der Kamera: alte (d. h. aus den anderen Bildbänden) Bekannte von Moritz Bleibtreu bis Jürgen Vogel und neue Talente wie Alexander Scheer und Hannah Herzsprung. Dazu schöne Momentauf-nahmen von Roland Emmerich, Doris Dörrie und natürlich Wim Wenders, dessen Film „Der Stand der Dinge“ von 1982 dem exorbitanten Prachtband den Titel gab. Die Bilder sind wieder ganz und gar Jim Rakete: der immer währende Dialog des Fotografen mit den Persönlichkeiten, die er gerade fotografiert. Arrangement und zufällige Begegnung in Einem. Das ist Jim Rakete pur!
Im Gegensatz zum bisher Gewohnten, fotografierte Rakete diesmal in Farbe mit einer digitalen Kamera. Für die Aufnahmen zu „1/8 sec. Vertraute Fremde“ (Schirmer/Mosel, 2007) hatte er noch eine alte, monumentale Lindhof-Kamera benutzt und dazu geschrieben: „Hinterher bin ich selbst verblüfft, wie vereinfachend der fertige Bild mit unseren Sehgewohnheiten und dem ständigen Perfektionszwang unseres Sehens umgeht. Die Wahrhaftigkeit ist gewachsen, der Wunsch nach Gestaltung ist verschwunden. Vordergrund, Hintergrund: einfach weg. Keine Farbe, keine Zeit, keine Mode. Was bleibt, ist die Situation, in der man die Bewegung hatte – und der Mensch, wie er wirklich ist.“
Bei „Stand der Dinge“ beweist Jim Rakete nun, das das auch in Farbe und moderner Technik geht. Zur Konzeption der Aufnahmen gehört, dass den Fotografierten ein Gegenstand zu geordnet wurde, zu dem sie eine ganz besondere Beziehung haben. Schlöndorff zum Beispiel hat Oskars Trommel dabei, Hannah Herzsprung mit Klavier (aus „Vier Minuten“), Prahl isst Currywurst, Dörrie mit Kirschblüten, Dresen lacht auf der „Halben Treppe“. Manchmal reicht auch nur das Arrangement: die Team von „X-Filme Creative Pool“: Tom Tykwer zusammen mit Dany Levi, im Hintergrund skeptisch Stefan Arndt. Das sagt alles!
Jim Rakete ging damit an den Rand des Prätentiösen ohne in die Falle zu gehen. Dominik Graf bringt das Kunststück in seiner Vorbemerkung auf den Punkt: „Die schöne Klarheit der Bilder von Jim Rakete birgt einen gewissen zärtlichen Hohn. Dabei hat er seinem fotografischen Glaubensbekenntnis gemäß bei jedem wieder auf einen ‚best moment‘ gewartet. Nicht auf einen Moment der Wahrheit, der Enthüllung. Das wäre zu brachial für seinen sanften Stil, er ist kein Voyeur. Er wartet auf den Moment, in dem der Abgebildete sich selbst am ähnlichsten zu sein scheint.“
Kein anderes Buch hat bisher das Selbstverständnis des gegenwärtigen deutschen Films so unaufdringlich und gleichzeitig so zwingend dargestellt wie Jim Raketes „Stand der Dinge“: das Buch und die Ausstellung. Man sollte weder das Eine noch das Andere versäumen…
Dazu ein Gespräch mit Jim Rakete:[media id=220 width=320 height=20]