Nach und nach finden sich auch im deutschen DVD/Blu-ray-Angebot die großen Klassiker des japanischen Films. Neben der verdienstvollen Reihe „Japanische Meisterregisseure“ von Polyfilm gibt es neue Veröffentlichungen von Trigon-Film, Arthaus-Kinowelt und Winkler-Film zur Vorweihnachtszeit zu feiern. Da episch bestens geeignet, weihnachtliche Untiefen zu überbrücken…
„Kenji Mizoguchi ist der Größte!“ stellte Jean-Luc Godard bereits 1956 in seinem Nachruf auf den japanischen Regisseur fest. Mizoguchi wurde 1898 in Tokio geboren und nur 58 Jahre alt. Er soll zwischen 80 und 200 Filme gedreht haben, von denen knapp 30 er-halten sind. Sechs Meisterwerke aus den 1950er Jahren wurden jetzt vom Schweizer Trigon-Film in einer Box veröffentlicht – in ausgezeichneten untertitelten Originalfassungen. Ein umfangreiches Begleitbuch liegt der Edition bei, in dem Walter Ruggle fundiert Leben Werk Mizoguchis würdigt. Er schreibt zum Beispiel: „Anhand von sechs Beispielen soll in dieser DVD-Edition eine Annäherung an den bedeutenden japanischen Autoren ermöglicht werden und über sie eine Betrachtung der thematischen Schwerpunkte sowie seiner schöpferischen Leistung“.
„Ugetsu monogatari/Ugetsu – Erzählungen unter dem Regenmond“ ist der bekannteste Film Mizoguchis, für den er 1954 in Venedig mit dem „Silbernen Löwen“ ausgezeichnet wurde. Gleichzeitig ein in Form und Inhalt besonders typischer Film des Regisseurs: in historischem Ambiente beuten zwei Männer hemmungslos ihre Frauen aus. Werden dann aber selbst Opfer der Verhältnisse. Seine kompromisslose Gesellschaftskritik verbindet Mizoguchi mit langen Einstellungen, komplexen Kamerafahrten und sinnlich-weichen Überblendungen. Ein Meisterwerk von zeitloser Schönheit.
Unmittelbar nach „Ugetsu“ drehte Mizoguchi 1954 „Sansho Dayu“, in dem es ebenfalls um den Verlust von Achtsamkeit geht: ein makelloses Plädoyer für eine bessere Welt, in der Barmherzigkeit und Menschenwürde eine Chance haben. Dazu zählt der Regisseur vor allem weibliche Emanzipation: Frauen sind hier wie in allen seinen Filmen die eigentlichen Opfer einer Welt der Willkür und des Schreckens. Die cineastische Kunst Kenji Mizoguchi kommentiert Walter Ruggle in seinem Begleitbuch zur Edition:
„Mizoguchi hält sich mit der Kamera zurück, betrachtet eine sich abspielende Szene aus einer Distanz, die ihm den Überblick, den er schaffen will, gewährt und gleichzeitig auch die Intimsphäre der Figuren wahrt…“
Neben den bekannten Meisterwerken „Ugetsu“ und „Sansho Dayu“ enthält die Mizoguchi-Edition auch Entdeckungen, die bisher in Europa nur im Rahmen von Retrospektiven zu sehen waren. Zum Beispiel den letzten Film des Regisseurs „Akasen Chitai/Die Straße der Schande“ von 1956: einer bitteren Abrechnung mit der Prostitution. Hier ist also einer der ganz Großen der Filmgeschichte zu entdecken!
Neben Kenji Mizogushi ist Akira Kurosawa der in Europa bekannteste klassische Filmregisseur Japan. „Rashomon“ und vor allem „Die sieben Samurai“ haben ihn im Westen populär gemacht. Nachdem eine ansehnliche DVD-Werkausgabe Kurosawas bereits vor einiger Zeit von KSM veröffentlicht wurde, präsentiert Kinowelt jetzt in der Edel-Reihe „Arthaus Premium“ Kurosawas Spätwerk „Ran“ aus dem Jahr 1985 in einer opulenten 2-Disc-Edition.
Nachdem Kurosawa vorher bereits mehrere Stück William Shakespeares verfilmt hatte, ist „Ran“ eine Adaption des „King Lear“, die im feudalen Japan des 15. Jahrhunderts spielt: ein greiser Fürst verteilt bereits zu Lebzeiten seinen Besitz unter seine drei Söhne – vermeintlich gerecht. Doch der Vater hat sich im Charakter seines Nachwuchses getäuscht: ein Bruderkrieg mit Mord und Totschlag ist die Folge: das japanische Wort „Ran“ lässt sich mit Chaos übersetzen.
Mit „Ran“ drehte Akira Kurosawa das bildmächtige Panorama einer aus den Fugen geratenen Welt, die nichts vor dem Untergang be-wahren kann. Er ist dafür mit einem Oscar ausgezeichnet worden: die Edition enthält neben der groben deutschen Kinosynchronisation auch die untertitelte Originalfassung. Auf der Bonus-Disc vier Dokumentationen zum Film und seinem Regisseur. Zum Beispiel Chris Markers sensible Beobachtung der Dreharbeiten.
Ein weiterer japanischer Regisseur, der es um 1960 zu einer gewissen Bekanntheit in Europa brachte, war Masaki Kobayashi. Und zwar auf Grund eines, allerdings außergewöhnlich spektakulären Films: „Barfuss durch die Hölle“.
Hier wurden 1959/60 zum ersten Mal die japanischen Kriegsver-brechen während des Zweiten Weltkriegs in China filmisch aufgearbeitet. Bis dahin in Japan ein Tabu. Auf der Grundlage eines autobiographischen Romans von Junpei Gomikawa drehte Kobayashi einen knapp zehnstündigen Film: eine neue Dimension des Antikriegsfilms, dessen Nachwirkungen bis heute nicht zu übersehen sind. Auf sechs DVDs hat Winkler-Film das monumentale Werk jetzt verdienstvoller Weise veröffentlicht.
Die Edition „Barfuß durch die Hölle“ enthält nicht nur das Original, sondern auch die um ein Drittel gekürzte deutsche Version. Der angesehene deutsche Regisseur Bernhard Wicki – bekannt geworden durch „Die Brücke“ – hat das Originalmaterial zu einer dreiteiligen Kinofassung verarbeitet.
Heute ist der Vergleich beider Versionen ein Musterbeispiel dafür, wie mit bester Absicht die Intensionen eines Regisseurs durch Bearbeitung und Synchronisation verändert werden. Dazu und zur grundsätzlichen Bedeutung des Werks gibt es einen informativen Bonusteil und ein Booklet.
Japanische Klassiker auf deutschen DVDs: Die sechs Meisterwerke Kenji Mizoguchi von Trigon-Film kosten zusammen 89 Euro, Kurosawas „Ran“ als Arthaus-Premium-Ausgabe 24 Euro, „Barfuß durch die Hölle“ von Winkler 40 Euro.