Dänemark/Norwegen/Schweden 2011
Regie: Susanne Bier
Mit Mikael Persbrandt, Ulrich Thomsen, Trine Dyrholm
Kinostart: 17. März 2011
Neben Lars von Trier und Susanne Bier sind gegenwärtig die wichtigsten dänischen Filmemacher, die international einen großen Einfluss ausüben. Die beiden verbindet nicht allein ihr meisterhafter Umgang mit den filmischen Ausdrucksmitteln, sondern auch ihr immense Fähigkeit, Grundfragen der menschlichen Existenz damit überzeugend zu formulieren. Das zeigt sich auch an Susanne Biers neuem Film „In einer besseren Welt“, der eben mit dem Oscar als bester nicht-englischer Film ausgezeichnet wurde.
„Ich aber sage euch, jedem der dich auf die rechte Wange schlägt, dem halte auch die andere hin“, sagt Jesus in der Bergpredigt. Anton ist Arzt und versucht danach zu leben. Die meiste Zeit des Jahres arbeitet er für eine Hilfsorganisation in einem Flüchtlingscamp in Afrika. Seine Patienten sind in erster Linie Opfer eines Bürgerkriegs.
Bei seiner Familie in Dänemark ist Anton nur selten. Seine beiden Söhne Elias und Morton sind ihm fremd geworden, ebenso wie seine Frau. Die betrügt er. Während seiner Heimaturlaube will Anton die Zeit nutzen, um den Kindern seine Lebensmaxime vermitteln, wonach Gewalt keine Möglichkeit der Konfliktlösung ist.
Ein Vorfall auf dem Kinderspielplatz gibt Gelegenheit zum Anschauungsunterricht: Morton gerät in der Sandkiste mit einem fremden Jungen aneinander. Dessen wütender Vater ohrfeigt Anton, der nicht zurück schlägt. Elias und Morton nehmen das mit peinlicher Betroffenheit zur Kenntnis.
Anton weiß nicht, dass Elias in der Schule von Mitschülern laufend misshandelt wird. So lange bis Christian neu in die Klasse kommt. Der schlägt den Hauptpeiniger brutal zusammen. Christian hat dann auch die Idee, den Kontrahenten von Elias Vater auf eigene Faust zu bestrafen. Antons Botschaft von der Gewaltlosigkeit ist bei den Jungs nicht angekommen. Ratlos lässt er sie zurück.
Wieder in Afrika versucht Anton vehement die Spirale der Gewalt zu durchbrachen und behandelt deshalb auch den Warlord einer Miliz, deren Opfer vor allem Antons Patienten sind. Allerdings mit zweifelhaftem Erfolg: als ihn der Mann der Humanitätsduselei bezichtigt, in einer der Welt in der angeblich nur Gewalt hilft wo Gewalt herrscht, weist er ihn aus dem Camp. Wenige Meter vor dem Tor wird der von Gegnern erschlagen.
Seinem Sohn kann Anton auch erst dann helfen, als eine Katastrophe kaum noch zu verhindern ist. So entlässt Susanne Bier den Zuschauer aus ihrem Film „In einer besseren Welt“ zumindest nicht ganz hoffnungslos. Sie sagt:
„Wissen Sie, ich mag eigentliche keine Filme, die ihren Zuschauern moralische Botschaften mit auf den Weg geben. Sie in eine ganz bestimmte Richtung drängen. Vor allem wenn es sich um ein komplexes Thema handelt, wie in diesem Film. Ich gebe keine Richtung vor, ich mache Vorschläge…“
Seit ihrem Debut „Open Hearts“ von 2002 steht mit diesem Selbstverständnis der Verlust der Unschuld durch mangelnde Achtsamkeit im Mittelpunkt der Filme Susanne Biers. Dabei spielen religiöse Momente eine wesentliche Rolle. Nachdem sie sich 2004 in „Brothers“ vor dem Hintergrund des Afghanistan-Krieges mit dem „Kain und Abel“-Motiv beschäftigte, geht es in ihrem neuen Film „In einer besseren Welt“ um die neutestamentarische Aufforderung zur Gewaltlosigkeit. Daraus hat die Regisseurin einen großartigen Film gemacht, der zu den wichtigsten Kinoereignissen der letzten Zeit gehört. Ein Film, den man unbedingt sehen sollte, weil er nicht nur Fragen stellt, sondern Antworten auf den gegenwärtigen Zustand unserer Welt gibt!
„In einer besseren Welt“ erinnert in seiner Tiefe und künstlerischen Geschlossenheit an „Zum Beispiel Balthazar“ von Robert Bresson, Bergmans „Licht im Winter“ oder „Opfer“ von Andrej Tarkowskij. Es ist ein Film, der ganz persönlich berührt:
Anton ist ein guter Mensch! In Afrika tut der Arzt aus Dänemark selbstlos in einem Spannungsgebiet Gutes. Natürlich möchte er auch, dass aus seinen beiden Buben gute Menschen werden. Deshalb führt er ihnen während eines Heimaturlaubs praktizierte Gewaltlosigkeit vor, in dem er sich vor ihren Augen von einem anderen Mann schlagen lässt ohne zurück zu schlagen. Anton wird damit scheitern. Also was dann?
Susanne Bier trifft einen mit ihrem Film „In einer besseren Welt“ mitten ins eigene Selbstverständnis. Rührt an wunde Punkte. Bei mir als Mann und Vater eines Sohnes. Ich würde vermutlich zurück schlagen. Was natürlich auch keine Lösung wäre. Die Bedeutung dieses außergewöhnlichen Films liegt gerade darin, dass er keine Patentrezepte anbietet: Oder doch? Er lässt einen nicht los in der Beharrlichkeit, immer wieder Achtsamkeit anzumahnen. Susanne Bier zeigt in verschiedenen Variationen was passiert, wenn die Achtsamkeit außer Acht gelassen wird und sei es auch nur für einen Moment. Dann nimmt das Unheil seinen Lauf. Ich habe das schon lange nicht mehr so intensiv erfahren, wie hier.
Und zwar ohne, das mir ein schwer verdaulicher Gefühlsmatsch zu gemutet wird. „In einer besseren Welt“ hat bei seiner kühlen Beschreibung menschlicher Schwachpunkte eine tiefe Poesie und lässt auf bessere Welten hoffen. Ich werde „In einer besseren Welt“ in den Kanon meiner Lieblingsfilme aufnehmen!
Thomas (SchönerDenken)
Ich kann die Betroffenheit gut nachvollziehen, der Film hat mich sehr beeindruckt, weil er unausweichlich die Frage stellt, warum wir einander das Leben selbst zur Hölle machen. (Mehr im Podcast: http://schoener-denken.de/blog/index.php/in-einer-besseren-welt/)
Stefan Wehmeier
„Ihr habt gehört, dass gesagt ist: „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel. Und wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei.“
Jesus von Nazareth
„Man sagt es harmlos, wie man Selbstverständlichkeiten auszusprechen pflegt, dass der Besitz der Produktionsmittel dem Kapitalisten bei den Lohnverhandlungen den Arbeitern gegenüber unter allen Umständen ein Übergewicht verschaffen muss, dessen Ausdruck eben der Mehrwert oder Kapitalzins ist und immer sein wird. Man kann es sich einfach nicht vorstellen, dass das heute auf Seiten des Besitzes liegende Übergewicht einfach dadurch auf die Besitzlosen (Arbeiter) übergehen kann, dass man den Besitzenden neben jedes Haus, jede Fabrik noch ein Haus, noch eine Fabrik baut.“
Silvio Gesell
„The greatest tragedy in mankind’s entire history may be the hijacking of morality by religion.“
Arthur C. Clarke
Die Aussagen von wahren Genies bleiben in der Regel für gewöhnliche Menschen unverständlich, und selbst ernsthaften Studenten und Gelehrten können sie nur mit Mühe sinnhaftig werden:
http://www.deweles.de/willkommen/cancel-program-genesis.html