Juan Restrepo, Anfang 20, gehört zur 173. US-Luftlandebrigade und ist auf dem Weg nach Afghanistan in den Krieg. Er filmt sich und seine Kameraden mit dem Handy: „Wir lieben das Leben und ziehen in den Krieg!“, ruft er dem Zuschauer zu. Restrepos Video stellten der Journalist Sebastian Junger und der Fotograf Tim Hetherington an den Anfang ihres Dokumentarfilms, den sie nach Restrepo genannt haben: der junge Soldatkam bereits bei seiner ersten Patrouille an der Front im gefährlichen Korengal-Tal ums Leben.
Junger und Hetherington waren 2007 monatelang als sogenannte „Embedded Journalists“ mit dem Platoon der 173. Luftlande-Brigade zusammen. Aus über 150 Stunden Videoaufnahmen entstand der Dokumentarfilm „Restrepo“, der vor einem Jahr beim Sundance Filmfestival mit dem „Großen Preis der Jury“ ausgezeichnet wurde und im letzten Sommer in den Kinos der USA für beträchtliches Aufsehen sorgte. Zum ersten Mal gelang es hier, den modernen Kriegsalltag unmittelbar zu dokumentieren. „Restrepo“ handelt von jungen Leuten, die zunächst den Anschein erwecken, als seien sie in einem Pfadfinderlager. Weit weg von ihren meist beträchtlichen privaten Problemen.
Gewissenhaft bedienen die Jungs ihre Waffen, leger, als hantierten sie mit einem Computer. Soweit erfüllt „Restrepo“ die Absichten des Pentagons, Journalisten mit an die Front zu schicken, um der Welt die frohe Botschaft zu vermitteln: muntere GI‘s bringen Frieden und Freiheit in den Hindukusch. Doch der Eindruck trügt: Bei einem Gefecht mit den Taliban ist wieder einer aus dem Platoon gefallen. Jetzt zeigen Tim Hetherington und Sebastian Junger ungeschminkt die Wirklichkeit des Krieges als sinnloses Unternehmen. Für die Soldaten ebenso undurchschaubar, wie die Geographie des Landes, die kaum Orientierungshilfen bietet. Der Chef der Brigade – auch nicht älter als Mitte 20 – erzählt vor der Kamera von seinen Alpträumen und versucht sich bei einer Einsatzbesprechung nur bedingt überzeugend in moralischer Aufrüstung.
Parallel zum Dokumentarfilm „Restrepo“ hat Sebastian Junger seine Erfahrungen in Afghanistan literarisch aufgearbeitet. Unter dem Titel „War – Ein Jahr im Krieg“ ist es im Herbst auch in deutscher Übersetzung im Blessing-Verlag erschienen. Den Film gibt es auf DVD bisher nur als Import aus den USA. Gerade die Verbindung von Buch und Film vermittelt aber einen Einblick in den Irrsinn des amerikanischen Engagements in Afghanistan und den Irak, wie er authentischer nicht sein kann.
Während sich der Film ganz und gar auf seine Dokumentation der Verhältnisse und die Seelenlage der Soldaten beschränkt, was eine weitere Kommentierung überflüssig macht, liefert Junger in seinem Buch den Kommentar dazu: Da schreibt er zum Beispiel unerfreuliche Wahrheiten:
„Krieg muss als schlecht gelten, denn im Krieggeschehen zweifellos schlechte Dinge,aber ein Neunzehnjähriger am Abzug eines .50cal-Maschinengewehrs während eines Gefechts, das alle heil überstehen, erlebt den Krieg als einen so extremen Nervenkitzel, wie ihn sich niemand vorstellen kann. In mancher Hinsicht verschaffen 20 Minuten Kampfgeschehen mehr Lebensintensität, als man sie während eines Daseins zusammenkratzen kann, das mit anderem beschäftigt ist, Der Kampf ist nicht der Ort, an dem man stirbt – obwohl auch das geschieht -, sondern der Ort, an dem man herausfindet, ob es einem gegeben ist, weiterzuleben. Die Kraft dieser Offenbarung möge niemand unterschätzen. Und niemand unterschätze das, was junge Männer einsetzen, um das Spiel noch einmal mehr zu spielen“
Deshalb finden die meisten Soldaten nach dem Ende ihrer Dienstzeit zur friedlichen zivilen Welt keinen Anschluss mehr und melden sich postwendend zum erneuten Kampfeinsatz. Sebastian Junger nennt Krieg in seinem Buch „eine kompromisslose Übung in reinem Töten“:
„Daraus folgt, dass ein Großteil moderner Militärtaktik darauf abzielt, den Feind in eine Position zu manövrieren, in der er aus sicherer Entfernung niederzumachen ist. Das klingt nur unehrenhaft,wenn man die Vorstellung hegt, moderner Krieg habe mit Ehre zu tun: hat eraber nicht. Er hat nur mit Sieg zu tun, was bedeutet, dass der Feind untermöglichst ungleichen Bedingungen getötet werden muss. “
Sowohl Jungers Buch als auch sein Film „Restrepo“ berühren ein Tabu, von dem die – nicht nur – amerikanische Öffentlichkeit ungern Kenntnis nimmt. Das der Film bisher in Deutschland nicht zu sehen war, ist typisch dafür. Wer möchte schon unsere Jungs von der Bundeswehr als mögliche Killer-Kumpane sehen.
Nicht Afghanistan, sondern der schon etwas zurück liegende dritte Golfkrieg bildet den realen Hintergrund, mit dem der amerikanische Fernsehsender FX die Kriegswirklichkeit in der Serie „Over There“ zu rekonstruieren versuchte. Hier zieht eine Gruppe junger Leute in den Irak, um für ein undurchsichtiges politisches Ziel zu kämpfen:
Zwar fiktiv, aber wirklichkeitsnah, schildert „Over There“ wie die GI’s fern der Heimat hässliche Dinge tun und ihnen Hässliches wiederfährt. Das ist mit großem Ernst gedreht, die Macher waren um ein authentisches Bild der Verhältnisse bemüht. Die Serie ergänzt mit Hochglanzbildern Junger und Hetheringtons raue Videodoku-mentation.
In Amerika wollte „Over there“ niemand sehen und deshalb beschränkte sich der Sender auf nur eine Staffel. Die gibt es in Deutschland von Fox Home Entertainment auf 2xvier DVDs. Zu den ausführlichen Extras gehört eine detailierte Einführung in die Wirkung der im Krieg eingesetzten Waffen. Eine zwiespältige Angelegenheit…
Einer der besten Kinospielfilme des letzten Jahres zum aktuellen Krieg der Amerikaner ist „The Messenger“ von Oren Moverman. Nur kurz in den Kinos, gibt es ihn von Universum jetzt auf DVD: zwei Veteranen werden bis zum Ende ihrer Dienstzeit die Aufgabe über-tragen, die Familienangehörigen der im Krieg gefallenen Soldaten zu informieren.
Der Film sagt über den amerikanischen Umgang mit den Kriegen in Afghanistan und den Irak genau soviel aus, wie die Beschreibungen vor Ort in „Restrepo“ und „Over There“. Keine angenehmen, aber wichtigen Film, für die man sich Zeit nehmen sollte: „Restrepo“ ist über das Internet für ca. 20 Euro zu haben, „Over there“ kostet 30 Euro, „The Messenger“ 15 Euro. Das Buch „War“ ist im Blessing Verlag erschienen. Preis: 19.95 Euro.