Frankreich/Deutschland 2012
Regie: Alain Resnais
Mit Sabine Azéma, Pierre Arditi, Lambert Wilson, Michel Piccoli
Kinostart: 6. Juni 2013
Seit 1954 dreht Alain Resnais Filme. Er war einer der Wegbereiter der „Nouvelle vague“: mit „Hiroshima mon amour“ (1958) und „Letztes Jahr in Marienbad“ (1961) setzte er Zeichen für eine Erneuerung der Filmsprache. Avantgardist ist der inzwischen 91jährige Resnais bis heute geblieben. Letztes Jahr hatte bei den Filmfestspielen von Cannes sein neuer Film „Vous n’avez encore rien vu/Ihr werdet euch noch wundern“ Premiere. Diese Woche startet das milde Alterswerk über die kleinen und großen Eitelkeiten im Kulturbetrieb in den deutschen Kinos.
Der erfolgreiche Schriftsteller Antoine d’Anthac ist bei der Reinigung seines Jagdgewehrs zu Tode gekommen. Kein Unfall, sondern ein von langer Hand geplanter Selbstmord. Telefonisch informiert sein Sekretär eine Reihe prominenter Schauspieler, die mit dem Verstorbenen im Laufe seines Lebens zusammen gearbeitet haben. Sabine Azema, Mathieu Amalric, Pierre Arditi, Michel Piccoli und Lambert Wilson werden in die feudale Villa gebeten. Sie verbindet nicht nur die Bekanntschaft zu Antoine; haben alle in seinem bekanntestem Stück „Eurydice“ mitgespielt und damit Karriere gemacht.
Per Videobotschaft werden sie um einen letzten Gefallen gebeten: Die Schauspieler sollen sich eine DVD mit einer aktuellen Version des Stücks durch ein junges Ensemble ansehen und gemeinsam entscheiden, ob sie dem Werk angemessen ist.
Für alle Beteiligten ist die Konfrontation mit dem Stück „Eurydice“, dem sie nach wie vor emotional eng verbunden sind, ein Deja-vu-Erlebnis. Obwohl sie der unbefangene Umgang der jungen Kollegen mit dem vertrauten Text zunächst irritiert, nehmen sie schließlich die Stichworte auf und klinken sich aus der eigenen Erfahrung in die Handlungsabläufe ein: Zum Beispiel Sabine Azéma, die bei ihrer Verkörperung der Titelrolle bejubelt wurde, ebenso wie ihr Partner Lambert Wilson.
Der Dichter Antoine d’Anthac ist reine Fiktion: bei dem Stück, handelt es sich um „Eurydice“ von Jean Anouilh. Die Darsteller spielen sich selbst und sind Alain Resnais seit langem persönlich verbunden.
Das Spannungsverhältnis zwischen dem Quasi-Dokumentarischen und dem rein Fiktionalen geben dem Film Charme und einen ganz eigenen Witz.
Resnais machte mit gewohnter Delikatesse aus „Ihr werdet euch noch wundern“ ein atemberaubendes Spiel auf unterschiedlichen Ebenen: Die Literatur und der Film! Was sie trennt, was sie verbindet, beschäftigt Resnais seit über 50 Jahren. Ebenso die Erinnerung als Quelle neuer Erfahrungen: Das alles in einem großartige, abgeklärten Alterswerk. Auch im 91. Lebensjahr spürt man bei Alain Resnais die Lust am Spiel und an der Verwunderung darüber, wenn das Verbale und Optische – Literatur und Film – zu einer Einheit verschmelzen. Davon immer aufs Neue fasziniert zu sein, ist vielleicht ein Geheimnis ungebrochener Kreativität. „Ihr werdet euch noch wundern“: ein Film zum niederknien schön!