Mit fünf Oscars wurde „Hugo Cabret“ von Martin Scorsese in diesem Frühjahr ausgezeichnet. Ein ungewöhnliches Meisterwerk, in dem mit den neuesten technischen Möglichkeiten des digitalen Films einem Pionier des Mediums, Georges Méliès eine Reverenz erwiesen wird. Der große Pionier hat als Regisseur, Produzent und meisten auch als sein eigener Hauptdarsteller als erster um 1900 Geschichten in seinen Filmen erzählt und dabei Tricks und Kunstgriffe benutzt, die auch heute noch zum technischen Standard der Filmproduktion gehören. Nächste Woche wird „Hugo Cabret“ als DVD und Blu-ray auf den Markt kommen. Ergänzend dazu hat StudioCanal das erhaltene Ge-samtwerk von Georges Méliès ebenfalls auf DVD und Blu-ray veröffentlicht.
Im geschäftigen Treiben des Pariser Bahnhofs Montparnasse fällt der 10jährige Hugo Cabret nicht weiter auf. Ein einsames verstörtes Kind, das nach dem Tod seines Vaters von einem bösen Onkel zur Wartung der vielen Uhren im Gare Montparnasse abgestellt wurde. Weil Hugo ein Faible für Uhren und ihren subtilen Mechanismus hat, kommt das seinen Neigungen entgegen. Wesentlicher in Hugos. Leben ist eine seltsame mechanische Figurine, die ihm sein Vater hinterlassen hat. Leider funktioniert sie nicht mehr; Teile sind im Laufe der Zeit verloren gegangen oder zerbrochen. Eine Fundgrube für Ersatzteile ist der kleine Laden von Monsieur George in der Bahnhofshalle, der sich auf mechanisches Spielzeug spezialisiert hat.
Weil Hugo kein Geld hat, stibitzt er, was er braucht. Das geht so lange gut, bis ihn der ständig missmutige Monsieur George ertappt. Merkwürdiger Weise ist der alte Mann vor allem an Hugos Notizbuch mit den Skizzen der Automaten-Figur interessiert. Schließlich bietet Monsieur Georges, dem kleinen Hugo einen Job an.
Die wundersame Geschichte von Hugo Cabret, seiner mechanischen Figur und was der Stummfilmpionier George Méliés damit zu tun hat, erfand der amerikanische Schriftsteller und Cartoonist Brian Selznick in „The Invention of Hugo Cabret“. So einzigartig wie der Roman ist auch die Verfilmung. Martin Scorsese übersetzte Selznicks Kombination aus Text und Bild in eine poetische Bildsprache, wie man das in dieser Form bisher nur selten gesehen hat.
Der Film „Hugo Cabret“ ist eine Huldigung an die magischen Momente im Leben; wenn zum Beispiel aus der Folge von 24 Bildern in der Sekunde ein Film wird oder sich mit Hilfe eines komplizierten Mechanismus eine Automaten-Figur in Bewegung setzt:
Hugo Cabret wird nicht nur den Schlüssel finden, um die vom Vater geerbte Automaten-Figur in Gang zu bringen, sondern auch die Wunderwelt des Films. Es ist die von Georges Méliés. Er lebte von 1861 bis 1938 und war kurz nach der Erfindung des Films durch die Gebrüder Lumiere der Erste, der das Potential des neuen Mediums erkannte, damit Geschichten zu erzählen. Méliés ist damit der Vater des Spielfilms. Dabei benutzte er bereits die Basismethoden des Trickfilms wie Überblendungen oder Stoppmotion. Einer seiner berühmtesten Filme ist „Die Reise zum Mond“ aus dem Jahr 1901, der auch in „Hugo Cabret“ eine wichtige Rolle spielt.
Nach großen Erfolgen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts sank der Stern Georges Méliés rapide nach dem Ersten Weltkrieg. Er konnte mit seinem Unternehmen bei der rasanten Entwicklung der Filmindustrie nicht mithalten. Sein Werk und Méliés selbst gerieten schnell in Vergessenheit und zwangen ihn, sich mit Gelegenheitsjobs finanziell über Wasser zu halten. Unter Anderem als Verkäufer von mechanischem Spielzeug.
Buch und Film „Hugo Cabret“ bleiben nah an der tatsächlichen Biographie des Filmpioniers. Dazu gehört auch, dass er Anfang der 1930er Jahre durch einen Zufall wieder entdeckt und Teile seines Oevres gerettet wurden.
Um seinen filmgeschichtlichen Exkurs für den Zuschauer sinnlich erfahrbar zu machen, benutzte Martin Scorsese bei „Hugo Cabret“ die digitale 3D-Technik in einer bisher nie gesehener Weise. Diese Perfektion wirkt sich auch auf die konventionelle 2-D-Projektion aus. Deshalb ist „Hugo Cabret“ auch von der Normal-DVD ohne Einschränkungen ansehbar. Es gibt ihn ab Mitte der Woche natürlich auch als „Blu-ray“ und 3D-Blu-ray von Paramount Home Entertainment. Dabei wird der DVD- Bonusteil mit einer Dokumentation über die Dreharbeiten schmäler ausgefallen als bei den Blu-ray-Ausgaben – mit einem Film über Méliés, die 3D-Effekte und zu Sacha Baron Cohen, der in „Hugo Cabret“ den garstigen Bahnhofsvorsteher spielt, der im Grunde ein bedauernswerter Kerl ist.
Als Ergänzung zu Martin Scorseses „Hugo Cabret“ hoch willkomen ist die Edition „Georges Méliés – Die Magie des Kinos“ mit allen 28 erhaltenen Filmen des Meisters als edler 2er Digipak in der anspruchsvollen Reihe „Arthaus Premium“ von StudioCanal: Wobei „Die Reise zum Mond“ in mehreren Fassungen angeboten wird: In Schwarz-weiß, aber auch die sensationelle Farbversion, die als verschollen galt und nach aufwendiger Restaurierung dem Original entspricht, mit dem Méliés bereits 1901 den Farbfilm vorweg nahm. Der französischen Schauspieler André Dussolier liest die Texte Méliés‘ für den „Kinoerzähler“, der in der Frühzeit des Films – als es noch keine Zwischentitel gab, die Handlung erklärte.
Außerdem enthält die Edition zwei ausführliche Dokumentation über Méliés, sein Leben und die komplizierte Rettung seines Oevres. Im beigelegten Booklet gibt der Filmjournalist Roland Mörchen eine Einführung in das Werk des Filmpioniers, das in seiner Modernität verblüfft und bei dem bereits die Grundlagen der noch heute üblichen Filmdramaturgie angewandt wurde.
Martin Scorseses „Hugo Cabret“ bekommt in Verbindung mit der Méliès-Werk-Edition eine zusätzlich spannende Dimension: „Hugo Cabret“ kostet auf DVD 15, auf Blu-ray 18, als Superset mit DVD, BR, 3D-BR und Digital-Copy 27 Euro. Die 2-Disc-Werk-Ausgabe „Georges Méliés – Die Magie des Kinos“ gibt es von „ Arthaus Premium“ ebenfalls in mehreren Ausgaben: Als DVD für 19 und als Blu-Ray für 15 Euro, die Einzel-Disc mit der „Reise zum Mond“ kostet 10 Euro.