Deutschland 2011
Regie: Leander Haußmann
Mit Michael Bully Herbig, Jürgen Vogel, Thekla Reuten
Kinostart: 27. Oktober 2011
1911 wurde im Zentrum von Moskau mit dem „Franzija“ ein Luxushotel mit internationalem Standard eröffnet. Nach der Revolution wurde es in „Lux“ umbenannt zum Gästehaus der sowjetischen Regierung bzw. der „Kommunistischen Internationale“ gemacht. In den 1930er Jahren kamen hier die meisten Emigranten unter, die vor den faschistischen Diktaturen vor allem aus dem Deutschen Reich Hitlers geflohen waren. Unter anderem lebten im „Lux“ Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht, Johannes R. Becher und Herbert Wehner. Traurige Berühmtheit bekam das „Hotel Lux“ dadurch, das seine Bewohner im besonderen Maße dem stalinistischen Terror ausgeliefert waren. Ein willfähriges Spitzelsystem unter den Hotel-Bewohnern arbeitete dem Regime zu. In dieser Woche startete der Film „Hotel Lux“ in den deutschen Kinos. Leander Haußmann hat sich dem dunklen Kapitel im Gewand einer Tragikomödie genähert.
„Dumpfe Angst, lastete in den Räumen und schier endlosen Korridoren des ‚Hotel Lux‘“ schrieb der spätere SPD-Politiker Herbert Wehner, der in den 1930er Jahren eine Zeitlang in der Moskauer Emigranten-Herberge lebte:
„ Ein Ort des Schreckens; eine „Menschenfalle“, wie Ruth von Mayenburg das „Lux“ in ihren Erinnerungen genannt hat. Der stalinistische Terror in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre machte davor keinen Halt. Tausende wurden von hier aus deportiert, die meisten anschließend ermordet. Kein Stoff für eine Komödie, sollte man meinen. Regisseur Leander Haußmann ist das Wagnis eingegangen.
Man dürfe/könne natürlich über Stalins „Große Säuberung“ nicht „lachen“, betonte der Regisseur in einem Interview, über die „komische Hauptfigur“ eines im „Lux“ gestrandeten deutschen Kabarettisten aber schon, den es – nach dem Willen der Drehbuchautoren – in das Hotel verschlagen habe….
Die „Komische Figur“ in Leander Haußmanns „Hotel Lux“ heißt Hans Zeisig, ein gefeierter Kabarettist im Berlin Anfang der 30er Jahre. In Gestalt von Michael Bully Herbig. Sein Bühnenpartner heißt Siggi Meyer und wird von Jürgen Vogel gespielt.
Großen Erfolg haben Zeisig & Meyer mit einer Parodie auf Hitler und Stalin – zur Musik von Friedrich Hollaender: „Ein Freund, ein guter Freund….“
1933 werden Haußmanns Protagonisten Zeisig und Meyer von den Nazis aus Deutschland vertrieben: die Beiden finden sich im Moskauer „Hotel Lux“ wieder. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre – zu allem Überfluss wird Zeisig irrtümlicher Weise für einen berühmten Astrologen gehalten und soll Stalin die Zukunft deuten.
Michael Bully Herbig und der Diktator. Das ist nur in Maßen ulkig! Lachen über Massenmörder. Das geht. Wenn der Regisseur Ernst Lubitsch oder Charles Chaplin heißt. Leander Haußmann spielt als Filmemacher aber nur in der Regional-Liga.
Es ist nicht zu übersehen, dass sich alle bei „Hotel Lux“ viel Mühe gegeben haben, um mit ihrer Satire nicht in allzu viele Fettnäpfchen zu treten. Heraus kam ein verkrampftes Etwas: Nicht wirklich komisch, nicht wirklich tragisch. Der historische Hintergrund dient lediglich als Kulisse für eine unendlich geschwätzige Nummern-Revue um einen tumben Toren, der am Ende nicht nur den berüchtigten sowjetischen Geheimdinst-Chef Nikolai Jeschow (Alexander Senderovich) ins Aus manövriert, sondern Stalin (Valery Grishko) gleich mit.
Da driftet Leander Haußmann mit seinem „Hotel Lux“ vollends ab ins Reich der Klamotte. Unterm Strich ergibt das einen überflüssigen und dabei gähnend langweiligen Film, der seinem anspruchsvollen Titel in keiner Sekunde gerecht wird! Zu langweilig und zu unwichtig, als das von einem Ärgernis gesprochen werden könnte.
Wer außerdem bisher glaubte, in Bully Herbig stecke womöglich ein einigermaßen akzeptabler Schauspieler, wird mit „Hotel Lux“ eines Besseren belehrt. Aber auch das wäre zu verschmerzen. Das eigentlich Bedauerliche an diesem Film ist, das hier ein wichtiges Kapitel der Zeitgeschichte unter Wert verhökert wurde.
Tröstlicher Weise ist im Verlag von Elisabeth Sandmann Ruth von Mayenburgs „Hotel Lux. Die Menschenfalle“ neu aufgelegt worden. Ergänzt um die Drehbuchnotizen von Heinrich Breloer zu seinem exzellenten Doku-Drama „Wehner – die unerzählte Geschichte“ von 1993. In diesen glänzend geschriebenen, dabei durchaus ironisch ge-brochenen Erinnerungen erlebt der Leser authentisch eine von Ratten bevölkerte Hölle auf Erden. Das Buch kostet mit 19.95 € nur unwesentlich mehr als eine Kinokarte… und man hat wirklich etwas davon!