Ich warte ja gerne auf Sir Mick Jagger. Aber nach drei Stunden Schlangestehen bin ich dann doch froh, als er lächelnd im grauen Anzug aus der Limousine steigt. Tiefe Furchen im Gesicht, wirres Haar, aber sehr lebendig. Richtig Spaß hatte er, die neue Doku über die Rolling Stones anzusagen. Ich muss zugeben: Mick Jagger spricht besser Französisch als ich. War ja auch ein halbes Jahr in Südfrankreich, damals 1971. Das waren noch Zeiten, als die Stones-Sippe mit Kind und Koks in Keith Richards Villa hockte, an langen Tischen haben sie gegessen und Champus getrunken und im heißen, feuchten Keller neue Lieder geschrieben, so zeigts der Film. Da kreiste die Whiskey-Flasche, da gingen Drogen rum und trotzdem haben sie ihre Doppel-LP „Exile on Mainstreet“ zusammen bekommen.
Ja, meinte Mick Jagger, das geht auch mit Drogen, aber ich sage nicht, dass es toll ist, Pott zu rauchen und zu singen. Kamen aber trotzdem schöne Songs dabei raus, wie „Shine a light“. Vor allem Keith Richards war wie ein Besessener und zwar was die Drogen und das Musik machen betrifft. 20 mal hat er denselben Song gespielt, manchmal 11 Stunden am Stück Musik gemacht. Beim Singen soll er eingeschlafen sein. Mick ist Rock und ich bin Roll, sagt Keith Richards im Film.
Mick Jagger hatte andere Prioritäten, er hat seine erste Frau Bianca hier unten an der Cote d´Azur geheiratet, einen Tag vorher dann doch mal die Musik-Kollegen eingeladen. „Wir waren jung, schön und dumm“, sagt Jagger, „heute sind wir nur noch dumm.“ Aber nicht doch. Mick, du machst alles richtig. Nach der Premiere wartete ein 1,93 Meter großes dunkelhaariges Model vor der Tür auf ihn. L´Wren Scott, Micks main person of interest, wie er selbst sagt. Mit ihr geht er heute Abend auf die Aids-Gala draußen am Cap d´Antibes. Und wird noch andere schöne Frauen treffen wie Naomi Campbell, Jennifer Lopez und die Fürstenfreundin Charlene Wittstock. Und vielleicht mit allen ein wenig über Filme plaudern.
Über seinen eigenen „Stones in Exile“, über seinen Lieblingsfilm „Apocalypse now“ oder über den einen Godard-Film, den er mal gesehen hat: „Eins plus eins“ oder auch: „One plus one/Sympathy for the devil“. Aber den hat er nicht verstanden. Mick Jagger passt besser nach Cannes als so mancher glaubt.