Cannes ist deutsch, seit gestern Abend. Da haben deutsche Filmemacher am Strand gefeiert. Oh, Intellektuelle mit schweren Filmgesprächen bei teurem Rotwein, dachte ich, aber der Erste, den ich sah, war Fußballer Jens Lehmann. Was macht der bei den Filmfestspielen?
Seinen neuen Film wird er ja wohl kaum zeigen: „Der weiße Ball“ oder „Robin Lehmann“. Nein, nach Auskunft von Herrn Lehmann samt Gattin war er zufällig in Cannes und hat eine Einladung bekommen. Klar, da würd ich auch hingehen und mir die Regisseure Michael Haneke und Volker Schlöndorff aus der Nähe ansehen, man weiß ja nie, ob die nicht ne neue Hauptdarstellerin suchen, wobei… weder möchte ich schwarzweiß über die Leinwand schleichen, noch vor laufender Kamera Brausepulver in meinem Bauchnabel haben.
David Bennent aus Schlöndorffs „Blechtrommel“ war auch da. Sieht eigentlich noch genauso aus wie vor 31 Jahren, damals war er 12. Volker Schlöndorff schwärmte von seiner neuen, noch längeren Fassung der Blechtrommel, die er in Cannes gezeigt hat, den Directors Cut sozusagen. Still sei es im Kino gewesen, wenn neue Szenen zu sehen waren. Nur Mario Adorf grummelte. War ja damals nicht dabei gewesen, als die Blechtrommel die Goldene Palme gewonnen hat, 1979. Ach Mario, dafür wohnst du heute um die Ecke, aus St. Tropez kam er zur Party.
Ja, die alten Männer beherrschen Cannes und nicht nur deutsche. Regisseur Jean-Luc Godard ist 80 und Manoel Oliveira sogar 101. Seitdem er 90 ist, dreht er jedes Jahr einen Film, das ist ein Rentnerleben. Als sein zweiter Film bei der Kritik durchfiel, hat er sich einfach wieder seinem Wein zugewandt. Das würde ich erst recht machen, wenn mein Film die Goldene Palme gewinnt.
Auch Oliver Schmitz hat heute Grund zu feiern. Sein Film „Life above all“ hatte heute in Cannes Premiere und bekam Applaus und Standing Ovations. Er zeigt auch sehr eindrucksvoll die kleine starke Chanda, die in einem südafrikanischen Dorf für die Familie sorgen muss. Die erste Rolle für das Schulmädchen, die schon immer Schauspielerin werden wollte und vor jedem Take gebetet hat. An dem Film ist alles anrührend. Oliver Schmitz, der den Film in der afrikanischen Sprache Pedi gedreht hat und meinte, ach, ich bin schwerhörig, ich verlasse mich beim Drehen sowieso auf andere Dinge als auf die Sprache. Gedreht wurde in einem echten Haus, die ganze Einrichtung hat sich das Filmteam aus der Nachbarschaft zusammen geliehen. Und fast hätte eine Giftschlange im Hotelzimmer verhindert, dass Oliver Schmitz einen fertigen Film nach Cannes bringt.
Noch ein Deutscher saß eben neben mir: Philip Koch, 27-jähriger Filmemacher, der seinen ersten Spielfilm in der Quinzaine in Cannes zeigt: Picco. Hartes Gefängnis-drama, aber Aussicht auf die Goldene Kamera. Das wars dann aber auch mit der Ehre, er nächtigt zu Zehnt im Appartement. Ja, Deutsche habens in Cannes halt dieses Jahr schwer.
Mönsch
IMDB hilft. Lehmann spielt eine Nebenrolle in der deutsch-afrikanischen Co-Produktion „Themba“. Warum sollte man ihm also nicht zum deutschen Empfang der Filmfestspiele in Cannes einladen, wenn er in einer Produktion mitspielt, die im Gegensatz zu den meisten deutschen Filmen tatsächlich auch international von Interesse und ohnehin eine lobenswerte Angelegenheit ist?