Der Tag in Cannes hat sich gelohnt und lässt sich leicht zusammen fassen: Ein toller Mann und ein toller Film. Der tolle Mann des Tages ist für mich Javier Bardem. Ja, ich kann Penelope Cruz verstehen und bin der festen Überzeugung, dass sie sich hinter irgendeiner Sandburg versteckt hält und ihren Javier nicht alleine an die Croisette gelassen hat, wo Frauen neuerdings zu Highheels enge Hosen tragen, die aussehen, als seien sie auftätowiert. Nicht abschweifen – Javier Bardem ist ein toller Mann, wenn er auch zugegebenermaßen aussieht, als sei eine Filmspule über seine Nase gerollt. Obwohl die ganze Pressekonferenz mit ihm nur gefühlte siebeneinhalb Minuten dauerte, hat er seinen ganzen bescheidenen Charme rübergebracht. „Casanova-Rollen habe ich vor langer Zeit gedreht, als ich noch jung war, lustige Rollen? Ich hab mal einen Killer gespielt, aber das war nicht lustig, auch wenn die Zuschauer gelacht haben.“ Javier Bardem ist völlig egal, was er spielt, intensiv muss es sein. Seufz. So war er auch, als er mir heute früh um 8.30 Uhr einen sterbenden Helden mit einer verrückten Frau in runter gekommenen Wohnungen gab. Ich weine gerne vor 10 Uhr früh. „Ja“, meint Javier Bardem, „wir haben in den schönsten Gegenden von Barcelona gedreht, am sonnigen Strand, Brot, Tomaten und Schinken und gut bezahlt wurde ich auch.“ Oder so.
Wenn ich’s mir aber aussuchen kann, dann möchte ich lieber launige Filme sehen solange die Sonne noch scheint. Und ich habe einen gesehen: „Tamara Drewe“ von Stephen Frears. Den britischen Regisseur habe ich ja noch von einem Interview auf der Berlinale in Erinnerung, damals war ihm sein Sandwich wichtiger als seine Antworten auf meine Fragen, bzw. er hat versucht, alles gleichzeitig abzuhandeln. Da schaue ich mir doch lieber seine Filme an. Und seine schöne Hauptdarstellerin Gemma Arterton, die mit ihren ultrakurzen Jeansshorts aus dem Film sehr gut nach Cannes passt. Sie war mal Bond-Girl. „Tamara Drewe“ ist so ziemlich das genaue Gegenteil von Bond. Ländliches England, wo die Gänse noch selbst geschlachtet und ein paar Möchtegern-Schriftsteller im Garten unterm blühenden Busch sitzen und mit Sandwich und Biscuit versorgt werden. In dieser Idylle verdreht die schöne Tamara allen Männern den Kopf. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen. Und die werden auch gezeigt. Eine Horde Kühe, die den untreuen Dichter überrennen, ein nervender Hund namens Boss, der von einer beherzten Engländerin niedergestreckt wird. Ich liebe die Engländer. Leider läuft auch dieser schöne Film außer Konkurrenz. Weil er konkurrenzlos ist? Weil die Festspielleitung Angst hat, dass die Jury sich auch mal gerne schlapp lacht und es dann zum worst case kommen würde: Nicht Gemetzel, nicht Sozialdrama gewinnt die Goldene Palme, sonder einfach nur gute Unterhaltung. Ich bin dafür.