Frankreich/Deutschland 2012
Regie: Léos Carax
Mit Denis Lavant, Edith Scob, Kylie Minogue
Kinostart: 30. August 2012
Leos Carax gilt seit seinem Debut „Boy meets Girl“ als einer der wichtigsten Filmemacher der Gegenwart. „Die Liebenden von Pont-Neuf“ machten ihn 1991 international bekannt. Als Schöpfer neuer Bilderwelten überforderte Carax 1999 mit „Pola X“ das Publikum und einen Großteil der Filmkritik. Für über ein Jahrzehnt zog sich Leos Carax daraufhin weitgehend vom Film zurück – von wenigen kleinen Fingerübungen abgesehen. Dieses Jahr präsentierte er dann bei den Filmfestspielen von Cannes seinen neuen Film „Holy Motors“ und sorgte damit einmal mehr für großes Aufsehen. Jetzt in den deutschen Kinos.
Ein Mann in einem Hotelzimmer: Es scheint in der Nähe eines Flughafens gelegen zu sein. Er schließt mit einem Schlüssel, der ihm aus seiner Hand gewachsen ist, eine Tapetentür auf und befindet sich im voll besetzten Zuschauerraum eines Kinos. Es wird gerade eine Bewegungsstudie aus der Frühzeit des Films gezeigt: Léos Carax spielt den Träumer, der auch ein Geist sein könnte, im Prolog zu seinem Film „Holy Motors“ selbst. Ein beunruhigender, aber in seiner sorgfältigen Komposition des Bildaufbaus höchst poetischer Auftakt zu einem Film, der einen Satz des französischen Philosophen George Bataille als Motto hat „Ich bezeichne Erfahrung als eine Reise an das Ende des Menschenmöglichen“.
Nicht nur George Bataille, sondern auch Kafka, E. T. A. Hoffmann, Jorge Luis Borges und die Filmgeschichte ganz allgemein dienten Léos Carax als Stichwortgeber bei „Holy Motors“, der eintägigen Odyssee von Monsieur Oscar (Denis Lavant) . Offenbar ein reicher Geschäfts-Mann, der am frühen Morgen in Begleitung von Bodyguards sein Le Corbussier-Villa verlässt. Seine Vertraute, Sekretärin und Fahrerin Céline (Edith Scob) erwartet ihn mit einer weißen Stretchlimusine.
Das Auto dient Oscar nicht nur als Büro, sondern auch als Kostümfun-dus und Garderobe. Hier wird er sich im Laufe des Tages für die unterschiedlichsten Rollen einkleiden und schminken: für seine Verwandlung in eine Bettlerin aus Osteuropa, den Akteur in einem Computerspiel, männliches Callgirl, Serienkiller oder einer Kombination aus Mr. Hyde und dem Glöckner von Notre Dame.
Schließlich begegnet Oscar als feinsinniger Banker mit intellektuellen Neigungen im seit Jahren geschlossenen ehemaligen Pariser Kaufhaus „La Samaritaine“ einer Stewardess, die auch ein Engel sein könnte: da wird aus „Holy Motors“ unter der Hand im Fin de Siécle-Ambiente ein elegisches Musical, das an „Die Regenschirme von Cherbourg“ erinnert.
Léos Carax entführt den Zuschauer seines Films in ein kunstvoll arrangiertes Panoptikum unserer Zeit, in der man nie sicher sein kann, in welcher Krise man morgens aufwacht. Der öffentlichkeitsscheue Carax sagte dazu in einem Email-Interview mit dem französischen Journalisten Jean-Michel Frodon:
„Der Film ist eine Art Science Fiction, in dem Menschen, Tiere und Maschinen vom Aussterben bedroht sind – ‚heilige Motoren‘, die durch ein gemeinsames Schicksal verbunden sind, Sklaven einer zu-nehmend virtuellen Welt. Eine Welt, aus der die sichtbaren Motoren, gelebte Erfahrungen und echte Aktionen allmählich verschwinden.“
Konsequent wie zur Zeit kein anderer Filmemacher im Europa verweigert sich Léos Carax bei „Holy Motors“ den traditionellen Erzählstrukturen des Films. Er vertraut ganz und gar auf die assoziative Kraft seiner Bilder. Selbst wenn sich einem die komplizierten formalen Arabesken mit ihren Verweisen auf die Filmgeschichte nicht immer ganz und gar erschließen, lässt einen „Holy Motors“ in seiner poetischen Bandbreite lange nicht los. Ebenso wenig das unbestimmte Gefühl, einer Sternstunde des Films beizuwohnen….
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Toller Beitrag, werde ich auf alle Fälle weiter empfehlen!!!