Mit der SWR-Koproduktion „Bastard“ von Carsten Unger werden heute Abend die diesjährigen „Hofer Filmtage“ eröffnet. Sie dauern bis zum kommenden Wochenende. Wie immer steht hierbei der Deutsche Film im Fokus.
So zum Beispiel: Johannes Fabrick mit DER LETZTE SCHÖNE TAG mit Wotan Wilke Möhring als Vater von zwei Kindern, der sich plötzlich mit dem Freitod seiner Frau konfrontiert sieht. Der Film isteine einfühlsame Studie über die Schwierigkeit der Hinterbliebenen mit der Aufarbeitung der Situation zurecht zu kommen; oder Johan Carlson mit HEADLOCK, eine Geschichte in der die Mutter um die
Anerkennung ihres Sohnes kämpft, der anders als die anderen ist.
Stephan Rick präsentiert sein Debüt UNTER NACHBARN, eine psychologische Dreiecksgeschichte mit Petra Schmidt-Schaller in der Hauptrolle. Christian Schwochow zeichnet – nach „Novemberkind“ mit DIE UNSICHTBARE das Portrait einer jungen
Schauspielerin, die sich in die Hände ihres Regisseurs begibt und sich damit auf ein gefährliches Spieleinlässt, bei dem sich die Grenze zwischen Realität und Rollenspiel verwischt.
Eine Jugendgeschichte erzählt Konstantin Ferstl in TRANS BAVARIA, der 2008 in Hof mit seinem Kurzfilm „Tage wie Jahre“ debütierte: Drei Freunde machen sich nach dem Abitur auf nach Moskau, wo Fidel Castro ein letztes Mal auf dem Roten Platz sprechen soll. Schließlich wollen die drei Revolutionäre werden, und wer könnte bessere Ratschläge erteilen als der Vater aller Revolutionen.
Johanna Thalmann entwirft mit WIR. JETZT! das Psychogramm einer auseinanderfallenden Mädchenfreundschaft als sich eines der
Mädchen verliebt und nicht mehr so viel Zeit mit der Freundin verbringt. Ganz anders erzählt Catharina Deus in AMEISEN GEHEN ANDERE WEGE von drei Jugendlichen, die sich in einem Jugendheim begegnen. Alle drei tragen ihre eigene tragische Geschichte mich sich, die sie in das Heim gebracht hat.
Julia Zische geht in AUGEN ZU der Frage eines 13-jährigen Mädchens nach:
„Was ist meine Jungfräulichkeit wert?“, nachdem ihre Familie in finanzielle Nöte gerät. Rouven Blankenfeld, der schon 2006 mit einem Film in Hof war, präsentiert mit ONLINE SECRETS einen Film, der in einem Seminar mit Schauspielern entstanden ist. YouTube ist das Sammelbecken von Selbstdarstellern und Voyeuren, doch plötzlich dreht sich die Geschichte, es taucht ein ICU auf, der die Menschen durch die Webcam beobachtet und die Aufnahmen ins Netz stellt. Da der Film ohne Filmteam gedreht wurde, mussten die Darsteller die Kameraführung wie auch andere Aufgaben selbst übernehmen.
Ein Filmprojekt nach dem Motto: ‚Learning by doing‘. Oliver Rihs, der schon 2005 mit
„Schwarze Schafe“ in Hof reüssierte, präsentiert mit DATING LANCELOT eine knallbunte Komödie aus Berlin, über die Schwierigkeit eines schüchternen Mannes eine Frau zu finden.
Auffällig ist in diesem Jahrgang, dass sich nicht wenige Filme wieder dem Genre-Kino zuwenden.Besonders der Thriller scheint den Filmemachern das Format zu sein, um ihre Geschichten zu entwickeln.
So Niki Drozdowski mit EXTINCTION – THE G.M.O. CHRONICLES. Ein Retro-Virus ist außer Kontrolle geraten und bedroht die Menschheit. Eine Endzeitgeschichte, die an George Romero erinnert. Oder MASKS von Andreas Marschall, in dem eine Schauspielschülerin spurlos verschwindet und scheinbar dunkle, fragwürdige Lehrmethoden im Geheimen praktiziert werden.
Auch unter den Dokumentarfilmen sind spannende, aktuelle Themen zu finden, die im gesellschaftspolitischen Kontext stehen, sich mit der Suche nach Selbstfindung befassen oder sich auf eine Reise zurück zu den Wurzeln der Vergangenheit begeben. Da ist Astrid Schult mit DIE VERMITTLER, ein Film über drei „Fallmanager“, die in einem Jobcenter in Berlin-Neukölln arbeiten und täglich mit den Jobsuchern konfrontiert werden.
Wie schon in seinem Film „Draußen bleiben“ (2007) gibt Regisseur Alexander Riedel mit HUNDSBUAM – DIE LETZTE CHANCE wieder einen Einblick in das Leben
Jugendlicher, die eigentlich keine Zukunftsperspektive haben. Er beobachtete ein Jahr lang ein Schulprojekt fernab von München, bei dem Schüler ihre letzte Chance bekommen, die Schule zu beenden und sich für den Arbeitsmarkt zu rüsten.
Nach 20 Jahren begibt sich der Tübinger Stefan Paul wieder auf eine Reise in seine Heimatstadt Leipzig und erzählt die Fortsetzung seines Filmes von 1991, HOTEL
DEUTSCHLAND 2. Die Regisseurin und Kamerafrau Elfi Mikesch kehrt mit JUDENBURG FINDET STADT ebenfalls an den Ort ihrer Kindheit zurück. Entstanden ist ein Film über Fotografie, Musik, Medien und die Suche nach den Bildern der Stadt sowie dem Klang, der diesen Bildern innewohnt.
Dietrich Schubert filmt in ALLEIN DIE WÜSTE seinen Aufenthalt in der Wüste Marokkos, fernab derZivilisation und nur auf sich alleine gestellt. Die Erfahrungen auf diesem Trip werden zu demeigentlichen Abenteuer seines Lebens.
Mit BUY ME – KAUF MICH! ist Catalina Ibarra Flórez ein intimer Einblick in das Leben der Frauen hinter den „Schaufenstern“ in Amsterdam gelungen, das sich
zwischen Moral und Zwang, schnellem Geld und der Suche nach Freiheit und Liebe bewegt.
ROADCREW von Olaf Held beschreibt das Leben von drei Roadies, drei Bühnenarbeitern, die seit mehr als 15 Jahren „on the road“ sind und ihre Unabhängigkeit gelebt haben und sich jetzt aber Gedanken machen, wie das Leben weiter gehen kann. Mit ABSCHIED VON DEN FRÖSCHEN setzt die Fotografin Ulrike Schamoni ihrem Vater, dem Filmemacher Ulrich Schamoni, ein Denkmal. Ulrich Schamoni hat die letzten Tage seines Lebens mit der Kamera eingefangen und so eine Chronik hinterlassen, die seine Tochter mit Ausschnitten aus seinem Werk zu einer Art Filmtagebuch montiert hat – ein ergreifendes Portrait.
Bei den internationalen Produktionen richtet sich der Blick auf Frankreich, das mit sieben Filmen und weiteren Ko-Produktionen vertreten ist. Neben dem französischen Oscar®-Beitrag LA GUERRE EST DÉCLARÉE von Valérie Donzelli, sind in Hof zu sehen: der Horrorfilm DERNIÈRE SEANCE von Laurent Achard, NE NOUS SOURMETS PAS À LA TENTATION von Cheyenne Carron, der Science Fiction-Film KAYDARA von Raphael Hernandez und Savitri Joly-Gonfard, TU SERA MON FILS von Gilles Legrand, DE BON MATIN von Jean-Marc Moutout mit Jean-Pierre Darroussin in der Hauptrolle,
LÉA von Bruno Rolland, über Léa, die nachts, um ihr Studium zu finanzieren, als Stripperin arbeitet, sowie der Dokumentarfilm CRAZY HORSE von Frederick Wiseman, über den legendären Nachtclub „Crazy Horse“ in Paris.
Auch das Filmland Österreich ist in diesem Jahr stark vertreten, u. a. mit Filmen von Peter Payer, Thomas Roth, Günter Schwaiger und Erwin Wagenhofer. Bereits zum dritten Mal wird Ludwig Wüst einen neuen Film in Hof vorstellen, TAPE END. Mit nur einer einzigen Einstellung gedreht, ist der Film die Rekonstruktion eines Laborversuchs, er zeigt den Moment seiner Entstehung.
Paul Poet dokumentiert in EMPIRE ME – DER STAAT BIN ICH seine Reise zu Mikronationen, die sich am Rande der globalisierten Welt gebildet und ihre eigenen, kleinen Gegenwelten aufgebaut haben. Wiener Rapper werden von Arman T. Riahi in SCHWARZKOPF begleitet.
Der vorbestrafte Ardalan versucht mit dem Einzigen was er kann, nämlich Rappen, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Aber so einfach ist es nicht, dem Leben auf der Straße, dem Teufelskreis zu entkommen. Aus der Schweiz kommen Samuel Schwarz und Julian Grünthal mit MARY & JOHNNY, eine freie Adaption von Ödön von Horvaths Drama „Kasimir und Karoline“. Ein Pärchen, das nach einem Streit getrennt durch das durch WM und Festival aufgeheizte Zürich steift und sich erst wieder imMorgengrauen begegnet. Ferner Urs Odermatt mit DER BÖSE ONKEL, ein Film über Ausgrenzung und falsche Moral in einem kleinen Schweizer Dorf weitab von der Stadt.
Rolando Colla wirft inseinem Film GIOCHI D’ESTATE einen Blick auf die Erwachsenen mit ihren beschränktenHandlungsmöglichkeiten auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen zu können. MANGROVE von Frédéric Choffat und Julie Gilbert beschäftigt sich mit der Suche nach Identität im Süden Mexikos.
In DARWIN findet Nick Brandestini eine „Geisterstadt“ im Death Valley in Kalifornien. Eine kleine Gruppe von Menschen lebt hier am Rande der Gesellschaft, an einem Ort ohne Staat, Kirche, ohne Arbeit und Kinder.
Weitere Filme im internationalen Programm sind Simon Arthurs SILVER TONGUES, LES GÉANTS von Bouli Lanners, O ABISMO PRATEADO (The Silver Cliff) des Brasilianers Karim Ainouz nach einem Song von Chico Buarque, aus Canada kommt Anne Emond mit NUIT #1; das Regie-Trio Dominique Abel, Fiona Gordon und Bruno Romy, die schon 2008 mit „Rumba“ in Hof waren, präsentieren mit LA FÉE eine hinreißende Komödie. Mitten in der Nacht erscheint eine Fee an der Rezeption eines Hotels in Le Havre, die dem Nachtportier drei Wünsche offeriert und sein beschauliches Leben dadurch durcheinander bringt.