Irland 2011
Regie: Ken Wardrop
Kinostart: 4. Juli 2012
Beim eben zu Ende gegangenen „Festival des deutschen Films“ und beim gegenwärtig stattfindenden „Filmfest München“ zeigt es sich ebenso wie bei ähnlichen Veranstaltungen weltweit: cineastische Innovationen sind weniger im Spiel- als im Dokumentarfilm zu entdecken. Ein Beispiel ist der irische Dokumentarfilm „His & Hers“, der sich auf bemerkenswerte Weise mit einem wenig spektakulären Thema – nämlich Männer – beschäftigt und ab dieser Woche auch in deutschen Kinos zu sehen ist.
Männer sind ein weites Feld: es gibt sie als Väter, gute Bekannte, Söhne, Enkel, enge und nicht so enge Freunde, Ehemänner, flüchtige Partner, Onkel, Opas, lebendig oder tot. Schwierig und folgsam, vorlaut oder stumm, muffig bis charmant. Irgendwie aber immer rätselhaft, manchmal auch nützlich. Zum Beispiel als Helfer beim Schuhe anziehen.
Wird Tochter älter sieht sie Vatern und seine Erziehungsversuche vorwiegend kritisch. So ist schon mancher Vater an der Frage wer wann und wie das Zimmer aufräumen sollte, gescheitert. Nachdem er dann resigniert und die Angelegenheit dem freien Spiel der Kräfte bzw. dem anderen Erziehungsteil überlassen hat, ergeben sich neue Herausforderungen bzw. Gefahren für das geliebte Töchterlein: Die überall lauernden bösen Buben! Da kann man als Vater nicht intensiv genug davor warnen.
Ebenso wie Vaters Musikgeschmack auf wenig Gegenliebe stößt, kommen umgekehrt Tochters Verehrer meistens nicht gut an. Das hilft alles nichts, sie wird sich den aussuchen, den sie will. Das ist überall so – auch in Irland. Da hat Ken Wardrop seinen Film „His & Hers“ gedreht: ein Film über Männer, in dem kein einziger Mann vorkommt. Aber sie sind von der ersten bis zur letzten Minute präsent. Aus der Perspektive von Töchtern, Ehefrauen und Müttern – vom Vorschul- bis zum Greisenalter. Die Aussagen sind vom Regisseur in ausgesprochen delikate Bilder eingebunden worden. Ken Wardrop schreibt dazu:
„Ganz am Anfang des Prozesses des Filmemachens, so wie ich Filmemachen verstehe, war das Einzelbild. Und ich hatte dieses besondere Bedürfnis, das jedes Bild, das ich schieße eindrucksvoll oder von Wert ist. Ich habe nichts wegwerfen wollen. Das hat mich aber als Filmemacher in gewisser Weise eingeschränkt, weil ich außerdem Angst habe, die Kamera zu bewegen. Meine Kamera zu bewegen war der Fluch meines Lebens, weil ich nicht weiß, wie man sie bewegt.“
„His & Hers“ ist ein absolut unkonventioneller Dokumentarfilm. Etwas, das es bisher so nicht gegeben hat. Unter unkonventionellen Umständen hat der Regisseur seinen Film auch realisiert:
„Ich habe es geschafft, meine eigene Familie davon zu überzeugen, mich bei meinen Filmen in jeder Beziehung zu unterstützen, finanziell, aber auch durch persönlichen Einsatz! Wenn ich finanziell meine, heißt das auch Brote zu machen und Kuchen zu backen. Das hebt bei den Dreharbeiten die Stimmung… „
Aus der Kombination von spontanen Äußerungen über den Erzeuger, den Partner oder dem Ideal davon, mit genau ausgezirkelten Kamera-Perspektiven bezieht „His & Hers“ seinen Witz. Auch dafür hat Regisseur Wardrop eine verblüffende Erklärung:
„Humor gehört zum Leben und Dokumentarfilme handeln vom Leben! Ich glaube, dass Lachen in einem Film ist wirklich wichtig. Die Personen kommen einem dadurch näher. Das Leben ist hart genug, nicht wahr? Wenn man in einen Film geht möchte man lachen, auch wenn es ein Dokumentarfilm ist…“
Das macht „His & Hers“ zu einem Juwel im ausufernden Filmangebot unserer Zeit. Ganz anders als die vielen Beschreibungen von männlich/weiblichem Selbstverständnis. Selbstironisch und komplex – wie Männer halt sind. Also: der ultimative Frauenfilm! Er kommt dankenswerter Weise im Original mit deutschen Untertiteln in unsere Kinos.