Die sogenannten Heimatfilm, die in den 1950er Jahren in Westdeutschland produziert wurden, haben ein schlechtes Image: Tümelnd und Kitschig sind die Prädikate. Zu Unrecht!: Heute betrachtet, handelt es sich dabei um aufschlussreiche Zeitzeugnisse einer Epoche. Das lässt sich an Hand der entsprechenden DVDs feststellen.
Ab 1949 ging es wieder aufwärts in Westdeutschland! Zwar war es in den Ruinen der Großstädte noch unwirtlich, aber neuer Optimismus keimte allerorten. Wie kaum eine andere Branche hatte die Filmindustrie das Ende des NS-Regimes und den Zweiten Weltkrieg einigermaßen unbeschadet überstanden. Die ehrenwerten Versuche in der unmittelbaren Nachkriegszeit, mit dem eben zu Ende gegangenen Ungeist filmische Trauerarbeit zu leisten, hatten beim Publikum kaum Anklang gefunden. Findige Produzenten wie Kurt Ulrich wussten dagegen, was die Westdeutschen in dieser Zeit gerne im Kino sehen wollten: Eine heile Welt, in der die Probleme der Gegenwart diskret hineinragten.
„Grün ist die Heide“ hatte am 14. November 1951 in Hannover Premiere. Mit viel Lüneburger Heide und Hermann Löns verstand es Regisseur Hans Deppe geschickt, den Zeitgeist mit Flüchtlingen, Heimatverlust und verlorenen Werten in ein unterhaltsames Potpourri mit Gutsherrn, Wilderern, junger Liebe und drolligen Momenten zu verwandeln. Erst gegen Ende wird es ernst: der Flüchtling aus dem Osten dankt für die Gastfreundschaft im Westen und bittet um Verständnis für die Nöte der Vertriebenen. Dazu hat der Junker, der seine Güter verloren hat, allen Grund: er hat in der neuen Heimat gewildert. Der Revierförster lässt Gnade vor Recht gelten und verliebte sich bei dieser Gelegenheit in die Tochter des blaublütigen Wilderers.
Film als Hoffnungsträger: „Grün ist die Heide“ entwickelte sich mit 16 Millionen Zuschauern zu einem der kommerziell erfolgreichsten deutschen Filme überhaupt. Der erste sogenannte „Heimatfilm“ der 1950er Jahre. Heute ein Schlüsselfilm zur Seelenlage der Nation in der Ära Adenauer. Es gibt ihn auf DVD von Kinowelt – leider immer noch in der Kitschecke ohne Extras. Es wäre an der Zeit, den Film in den Kontext seiner Entstehungszeit einzuordnen.
Ebenfalls mit der Nachwuchsschauspielerin Sonja Ziemann in der weiblichen Hauptrolle, brachte Kurt Ullrich mit seiner Berolina-Film bereits wenige Monate nach „Grün ist die Heide“ den Nachfolgefilm „Am Brunnen vor dem Tore“ in die Kinos.
Bildete bei „Grün ist die Heide“ die Flüchtlingsproblematik den quasi politischen Hintergrund, spielt bei „Am Brunnen vor dem Tore“ die Besatzung durch die Alliierten, die Heimkehrer aus der Kriegsge-fangenschaft eine wesentliche Rolle und das damit verbundene allgemeine Unbehagen.
Auch in Österreich hatte man inzwischen den Heimatfilm entdeckt. Die Wiener Rondo-Produktion präsentierte 1954 „Der Förster im Silberwald“ mit Natur, Förster und der großen Liebe zwar frei von aktueller Tagespolitik, aber dafür mit Natur-und Umweltschutz im Fokus: der Förster bekommt es mit dem Gewinn bringenden Kahlschlag im Forst und Touristen zu tun, die das Wild beim äsen stören. Auf der Pirsch kommen sich eine Städterin und der Waidmann näher.
Das Österreichische Pendant zu Sonja Ziemann war Anita Gutwell, Rudolf Lenz lieferte sich mit Rudolf Prack ein Rennen um den be-liebtesten Förster-Darsteller im deutschsprachigen Film.
Auch „Der Förster im Silberwald“, der in Österreich „Echo der Berge“ heißt ist ein lohnendes Objekt für Filmwissenschaftler. Zu den Kuriositäten seiner Produktion gehört, dass er ursprünglich von einem steirischen Industriellen als Dokumentation des landschaftspflegerischen Engagements der Jägerschaft in Auftrag gegeben wurde. Erst später kam die Spielfilmhandlung dazu.
Den Film „Alraune“ drehte Arthur Maria Rabenalt 1952, in dem er eine alte Sage mit Natur-Mystizismus und Anklänge an den Heimat-film verbunden hat: Alraune ist ein übersinnliches Wesen, das Unheil auslöst. Bei der Neuverfilmung des bereits in der Stummfilmzeit zweifach adaptieren Ewers-Stoffes ist vor allem die Besetzung interessant. Alraunes Vater bzw. Schöpfer wird von Erich von Stroheim verkörpert – sein erster und einziger Auftritt in einem deutschen Film – die Titelrolle von Hildegard Knef, die hier als gurrende Sirene erstmals singt…
Die Musik zu „Alraune“ schrieb der Re-Emigrant Werner Richard Heymann, den die Nazis 1933 aus Deutschland vertrieben hatten. Auch dies ein spannender Film, der die deutschen Gefühlswelten um 1950 in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. Ein Film, der dem kollektiven schlechten Gewissen beizukommen versucht. Als Beigabe zu dieser DVD gibt es Felix Moellers Dokumentation über Hildegard Knefs frühe Jahre.
Nach 1955 zeigten sich beim deutschen Heimatfilm deutliche Spuren der Abnutzung. Das Publikum blieb aus – nicht nur weil man inzwischen zu Hause einen Fernseh-Apparat hatte. Jetzt brachte ein die Bahn oder der eigene Kleinwagen, dahin wo es schön ist. Man war nicht mehr auf das Kino angewiesen. Vor allem Italien – insbesondere die Riviera – entwickelte sich zur bevorzugten Urlaubs-gegend der zu Geld gekommenen Deutschen.
Was lag nahe, als ein Urlaubsfilm-Genre aus der Taufe zu heben. Einer der ersten, der es ausprobierte war Hans Deppe, dem die Filmgeschichte bereits „Grün ist die Heide“ verdankt. 1957 drehte er „Unter Palmen am blauen Meer“, mit Bibi Johns und Harald Juhnke in den Hauptrollen.
Die musikalischen Hits der jeweiligen Saison wurden bei diesen Filmen in schöner Landschaft dem Kinopublikum vorgeführt, das sie bisher nur aus dem Radio kannten. „Unter Palmen am blauen Meer“ ist von Icestorm Entertainment auf DVD veröffentlicht worden. Auch dieses ein Stück fast vergessener deutscher Filmgeschichte.
Gegen Ende der 1950er Jahre entdeckt der westdeutsche Film die Stadt – allerdings als gefährliches Pflaster: „Nasser Asphalt“ heißt einer der typischen Produktionen der Zeit.
Das Drehbuch schrieb Will Tremper für Regisseur Frank Wisbar. In der Hauptrolle Horst Buchholz, als Journalist, der über einen mächtigen Starjournalisten – gespielt von Martin Held – menschliche Abgründe kennen lernt.
Sensationsjournalismus und die jüngste deutsche Vergangenheit. In „Nasser Asphalt“ hat die Gegenwart in den deutschen Film direkten Eingang gefunden. Ebenfalls ein Film, der es lohnt, genauer angesehen zu werden. Auch er wurde von Kinowelt veröffentlicht. Deutsche Kinohits der 1950er Jahre auf DVD. Sie kosten zwischen 10 und 15 Euro.