Erst kürzlich tauchte die Angelegenheit wieder in den Schlagzeilen auf: der verantwortliche Bundeswehr-Kommandant Klein, der im September 2009 einen liegen gebliebenen Tanklaster in Kunduz bombardieren ließ, ist befördert worden! Ganz normal sei sowas hieß es aus amtlicher Quelle. Egal ob einer ein paar Dutzend Menschenleben auf dem Gewissen hat oder nicht. Krieg sei Krieg und wo gehobelt wird, da fallen Späne… „Kunduz“ heißt der neue Film von Stefan und Simona Gieren, der heute beim „Filmfest Hamburg“ Premiere hatte. Unübersehbar entstanden aus der Empörung über den Skandal und die Art und Weise, wie alles getan wurde, um die Affäre unter den Teppich zu kehren. Ebenso wie das gesamte Kriegsspiel der Bundeswehr in Afghanistan, bei dem Hinz und Kunz und Klein mit Rudi Ratlos kahlgeschoren fern der Heimat im Morgenland das Abendland verteidigen wollen. Immerhin kam kürzlich zur Seelsorge Till Schweiger…
„Kunduz“ dauert etwas mehr als eine Stunde und beschreibt nahezu in Echtzeit den Bericht eines Augenzeugen der Ereignisse am 4. September 2009: In Verkennung der Bodenbeschaffenheit in einem nahezu ausgetrockneten Flussbett hatte ein Taliban-Kommando einen voll beladenen Tanklaster fest gefahren – auf den Weg ins Hinterland. Fernab deutscher Stellungen. Wohl in der Hoffnung, das Fahrzeug wieder flott zu bekommen, wurde der Bevölkerung erlaubt, sich Benzin anzufüllen und damit zu entlasten. Der Zulauf war enorm, Sprit ist in Afghanistan so teuer wie hier.
Das war die Lage, als amerikanische Bomber in deutschem Auftrag anflogen und das Massaker anrichteten. Die Taliban waren längst über alle Berge…
Schwerverletzt hat der deutsch-afghanische Fotograf Faisal (Arash Marandi) überlebt und sich in ein Flugzeug Richtung Islamabad gerettet. Auf dem Flug bricht er zusammen und wird von einem deutschen Arzt notoperiert, der sich zufällig an Bord befindet. Ihm berichtet Faisal von dem Vorfall und seiner begründeten Besorgnis, dass die Wahrheit geschönt werden könnte.
Soweit geben Stefan Gieren und seine Frau ein interessantes Beispiel für eine fiktionale Dokumentation. Authentisch durch die Verwendung von Smartphonaufnahmen. Doch dabei schleicht sich dann auch schon das erste Problem bei „Kunduz“ ein. Ganz und gar mit dem iPhone trauten sich die Macher dann doch nicht zu drehen. Also kam auch eine HD-Kamera zum Einsatz, was zu Irritationen führt. Optisch franzt der Film also aus. Handlungsmäßig noch mehr. Leider ließen sie sich zu Rückblenden verleiten, die sie dann aber nur bedingt in den dramaturgischen Griff bekommen haben.
Die ehrenwerte Absicht ihrer Arbeit gerät dadurch an den Rand des Lächerlichen. Ebenso hätte es den Dialogen gut getan, wenn auch hier noch etwas Hand angelegt worden wäre. Betroffenheit allein genügt eben nicht. Da kann selbst ein Ulrich Mattes – als Notarzt – wenig retten. Der Rest des Ensembles insbesondere Arash Maraandi wäre gut beraten gewesen, nicht ganz so nah „an der Rampe“ zu spielen….
Keine Frage, ein solches Projekt ist schwierig zu realisieren – zumal wenn das Budget dem Experiment sichtbar Grenzen setzt. Man darf auf weitere Arbeiten von Gieren & Gieren gespannt sein.
Wie aus wenig, ganz viel gemacht werden kann, zeigt auf ganz anderem Terrain Alex Schmidt mit ihrem Debut „Du hast es versprochen“, das bereits in Venedig hoch gelobt wurde. Die deutsche Premiere fand jetzt in Hamburg statt.
Die Geschichte eines kindlichen Traumas und seiner katastrophalen Folgen wird fulminant erzählt. Dabei bleibt die junge Regisseurin konsequent im Rahmen der genretypischen Versatzstücke eines Horrorfilms. Einfach großartig. Hier stimmt alles – von der Dramaturgie bis zur raffiniert aufgebauten Handlung. Auf „Du hast es versprochen“ wird aus Anlass seines Kinostarts im November zurück zu kommen sein!