Der liebevolle Blick auf das Zwischenmenschliche in einer schwierigen Welt zeichnet den französischen Film seit jeher aus. Gerade in letzter Zeit sehen sich Regisseure in der Tradition von Marcel Pagnol und Jean Renoir. Mit wechselndem kommerziellen Erfolg sorgt vor allem der Tübinger Arsenalfilmverleih dafür, dass diese cineastischen Kleinode den Weg in die deutschen Kinos finden. Anschließend werden sie dann in der Reihe „Good Movies!“ auf DVD veröffentlicht. Einer der gebührendsten französischen Produktionen der letzten Zeit ist „Couscous mit Fisch“:
Nur wenn Mama am Wochenende zum gemeinsamen Mittagessen einlädt, herrscht für kurze Zeit Zwangsharmonie in der Großfamilie Beiji. Ansonsten ist man zutiefst zerstritten. Aus Tunesien eingewandert, sind die meisten von ihnen nur bedingt in Südfrankreich heimisch geworden. Vater Slimane hat die Atmosphäre aus Missgunst, Eifersucht und Neid nicht mehr ausgehalten und die Scheidung eingereicht. Sein Kontakt beschränkt sich darauf, dass er wöchentlich frischen Fisch liefert. Das ist zwar auch nicht recht, bildet aber die Grundlage für den sonntäglichen Couscous mit Fisch. Dann verliert Slimane seinen Job als Werftarbeiter, dadurch verschärft sich die familiere Krise.
Regisseur Abdellatif Kechiche hat „La graine et le mulet/Couscous mit Fisch“ – seinem Vater gewidmet. Mit autobiographischen Anklängen erzählt sein Film davon, wie sich der 61jährige Slimane nach seiner Entlassung mit ungebrochenem Elan daran macht, seinen Lebenstraum zu verwirklichen: die Eröffnung eines eigenen Fischrestaurants in einem ausrangierten Dampfer.. Das stößt reihum auf Skepsis…
Bei „Couscous mit Fisch“ handelt es sich nicht um die wiederholte Beschreibung einer Multikulti-Misere, sondern um das termperamentvolle Portrait einer Familie, der auf Grund der Verhältnisse nichts Anderes übrig bleibt, als eine Solidargemeinschaft zu werden. „Couscous mit Fisch“: ist einer der schönsten Filme zu diesem Thema. Eine schwierige gesellschaftliche wirkt durch den poetischen filmischen Ausdruck spontan und leicht. Die Kamera bleibt meistens nah an intensiv spielenden Laiendarstellern und gibt dem Film so eine zusätzliche authentische Atmosphäre. Kurz: ein Meisterwerk! Wie bei allen französischen Filmen empfiehlt sich die französische Originalfassung.
Ein weiterer, in seiner menschlichen Dimension ungewöhnlicher Film aus Frankreich ist „Welcome“ von Philippe Lioret. Das mehrfach ausge-zeichnete Werk gibt es auf DVD ebenfalls von Arsenal.
Der junge Kurde Bilal (Firat Ayverdi) wollte aus dem Irak zu seiner Freundin nach England. Bis Calais verläuft seine Reise Dank eines funktionierenden Schlepper-Netzwerks reibungslos. Dann scheitert die letzte Etappe an seiner menschlichen Unzulänglichkeit. Er kommt als Illegaler in ein Flüchtlingslager. Als durchtrainierter Sportler macht sich Bilal Hoffnung, England als Schwimmer durch Ärmelkanal zu erreichen. Er ist zwar als Fußballer ein As, mit dem Kraulen hapert es aber. Im örtlichen Hallenbad bittet der Junge deshalb Bademeister Simon um Nachhilfe.
Daraus entwickelt Philippe Lioret in „Welcome“ eine einzigartige Beziehungsgeschichte, bei der es in erster Linie um die Grenzen und Möglichkeiten der persönlichen Hilfe für Menschen in Not geht. Zwar weiß Simon als ehemaliger Leistungsschwimmer um die Risiken einer Kanaldurchschwimmung, aber er trainiert Bilal und verschafft ihm das notwenige Equipment.
Nüchtern schildert der Film ein erzieherisches Dilemma: Einerseits will und darf Simon den Elan des jungen Mannes nicht durch altväterliche Vorbehalte bremsen, andererseits kennt er seine Verantwortung.
Klug und unaufdringlich in der dramaturgischen Form begleitet Philippe Lioret Bilal und Simon. Dabei zeigt er über das Vater-Sohn-Verhältnis hinaus unmissverständlich die katastrophalen Folgen der brutal restriktiven Asylpolitik in Europa. „Welcome“ ist ein anrührender, politisch enorm wichtiger Film. Neben der unterschiedlich synchronisierten Kino-und TV-Fassung, enthält die DVD aus das untertitelte französische Original sowie ein Making-Of.
In „Mademoiselle Cambon“ von Stéphane Brizé spielt ebenfalls Vincent Lindon die Hauptrolle. Nach dem Bademeister Simon in „Welcome“ spielt er hier den soliden Maurermeister Jean. Als er seinen Sohn von der Schule abholt, lernt er dessen Klassenlehrerin, Mademoiselle Chambon (Sandrine Kiberlain) kennen. Er wird öfter kommen und die junge Dame immer näher kennen und schließlich auch lieben lernen. Jean Ehe bleibt davon nicht unberührt…
Ungemein elegant schildert Stéphane Brizé in „Mademoiselle Chambon“ ein Dilemma: den Einbruch einer Amour fou in Jeans solide Existenz. Es gerät alles aus den Fugen und kommt dann doch alles wieder auf die Reihe. Auch das: bestes französisches Kino. Ganz neu gibt es den Film jetzt Arsenalfilm auf DVD. Im Bonusteil ein ausführliches Interview mit dem Regisseur.
Der Roman „Die Eleganz des Igels“ von Muriel Barbery ist eines der zauberhaftesten Bücher der letzten Zeit (deutsch bei DTV). Mit Josiane Balasko in der Titelrolle wurde es 2009 von Mona Achache exzellent verfilmt. Auf DVD ist der Film unter dem deutschen Titel „Die Eleganz der Madame Michel“ bei Universum erschienen.
Ungepflegt und barsch im Umgangston, erfüllt Madame Michel sämtliche Klischees einer Concierge. Ordentlich erledigt sie ihre Hausmeisterpflichten, mehr aber nicht. Die Bewohner des eleganten Pariser Appartmenthauses haben an Madame Michel ohnehin kein sonderliches Interesse. Niemand weiß, das Madame Michel sich in der Phänomenologie Hegels ebenso gut auskennt wie bei Karl Marx, ihr Lieblingsbuch „Anna Karenina“ ist und sie ihren Kater aus Verehrung für Tolstoj „Leo“ genannt hat. Madame Michels Leben ändert sich als die kleine Paloma und vor allem der neue Mieter, der gebildete Japaner Ozu in ihr Leben treten.
Mona Achache rückte bei ihrer Verfilmung die Figur des kleinen Mädchens Paloma in den Vordergrund. Bevor Ozu einzieht ist sie die einzige im Haus, zu der Madame Michel ein persönliches Verhältnis hat. Paloma schreibt im Gegensatz zur Vorlage im Film auch kein Tagebuch, sondern beobachtet ihre Umwelt mit einer DigiCam.
Gute Literaturverfilmungen sind selten: „Die Eleganz der Madame Michel“ gehört dazu. Im Bonusteil dieser DVD ein Audiokommentar der Regisseurin und diverse Outakes.
Die Filme von Francois Ozon sind immer etwas ganz Besonders: „Ricky“ verwirrte vor zwei Jahren die Besucher der Berliner Filmfestspiele. Wer sich auf den eigenen Zauber dieses Films einlässt erlebt ein cineas-tisches Wunder:
Ricky ist ein niedliches kleines Baby – mit einer Besonderheit: er hat Flügel und kann fliegen. Und so macht er sich eines Tages auf und davon.Franzois Ozon hat mit „Ricky“ einen ungewöhnlichen Film darüber gedreht, was es für Eltern heißt, ihr Kind loszulassen. Das Ganze in einer poetischen filmischen Parabel. Ein Juwel des französischen Film – auf DVD gibt es ihn von Concorde. Preziosen des französischen Kinos auf DVD – die liegen bei jeweils rund 10 Euro!