Originaltitel: Deux de la vague
Frankreich 2010
Regie: Emmanuel Laurent
Kinostart: 28. April 2011
Eine der wesentlichen Strömungen in der modernen Filmgeschichte war die „Nouvelle vague“ im Frankreich der später 1950er und frühen 1960er Jahre. Obwohl das Konzept mit dem Regisseur als künstlerisch maßgeblichen „Auteur“ bald an seine Grenzen kam, sind die Nachwirkungen der „Neuen Welle“ bis heute spürbar. Jean-Luc Godard und Francois Truffaut hatten die Nouvelle Vague zunächst theoretisch vorbereitet und das praktisch erprobt. „Godard trifft Truffaut – Deux de la vague“ heißt ein neuer Dokumentarfilm, in dem Emmanuel Laurent die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei seelenverwandter Künstler in einer Zeit des Umbruchs rekonstruierte.
Die Sensation bei den Filmfestspielen von Cannes 1959: Der 27jährige Filmkritiker Francois Truffaut erhält für sein Spielfilmdebut „Les quatre cent coups/Sie küssten und sie schlugen ihn“ die „Goldene Palme“. Zwei Jahre vorher war ihm auf Grund seiner despektierlichen Kritiken in der Zeitschrift „Cahier du Cinema“ in Cannes Hausverbot erteilt worden.
Jean-Luc Godard zeigte sein Debut „A bout de souffle“ im Sommer 1960 demonstrativ zum ersten Mal nicht in Cannes, sondern in der Pariser Cinematheque. Das Drehbuch zu der Liebesgeschichte um einen kleinen Ganoven hatte Francois Truffaut geschrieben. Seit den frühen 1950er Jahren verband Godard und Truffaut eine enge Freundschaft.
Beide schätzten den amerikanischen Film mehr als den gegenwärtigen französischen, verehrten Alfred Hitchcock, John Ford und ganz besonders Howard Hawks. Ohne ihre Vorbilder zu kopieren, suchten sie nach neuen Wegen des filmischen Ausdrucks. Ihr Credo: als „Auteur“, als Autor soll der Regisseur an allen Schritten der Filmproduktion beteiligt ist. Frei von den Zwängen eines Studios oder eines Produzenten. Die theoretischen Grundlagen der Bewegung, die als „Nouvelle vague“ in dem Filmgeschichte eingegangen ist, hat Francois Truffaut bereits 1954 in seinem Essay „Eine gewisse Tendenz im französischen Film“ formuliert.
In seinem Dokumentarfilm „Godard trifft Truffaut – Deux de la vague“ rekonstruierte Emmanuel Laurent die Freundschaft zwischen zwei Antipoden. Godard stammte aus einer großbürgerlichen Schweizer Familie, Truffaut aus schwierigen Verhältnissen. Beide kamen sie Autodidakten erst zum Schreiben, dann zum Film.
Bereits an ihren zweiten Filmen zeigte sich, dass Godard und Truffaut künftig getrennte Wege gehen würden. Eckte Godard mit seiner ruppigen Politparabel „Le petit soldat“ bei der Zensur an und ver-schreckte das Publikum, gelang Truffaut mit seiner eleganten Gangster-Ballade „Tirez sur le pianiste/Schießen Sie auf den Pianisten“ ein internationaler Erfolg.
Im Sommer 1968 solidarisierten sich Godard und Truffaut noch gemeinsam mit den protestierenden Studenten und erzwangen den Abbruch des Festival de Cannes. Kurze Zeit später kam es zum endgültigen Bruch zwischen den Beiden. Der radikale Bilderstürmer Godard auf der einen und der große Geschichtenerzähler Truffaut auf der anderen Seite hatten keine gemeinsame Basis mehr.
Mit großem Sachverstand und seltener archivalischer Materialvielfalt gelang Laurent mit „Godard trifft Truffaut“ ein spannender Blick in die 1960er Jahre – einem Jahrzehnt der Auf-und Umbrüche. Godard und Truffaut haben ihm wie keine anderen Künstler ihrer Generation Ausdruck verliehen. Das macht diese Dokumentation nicht nur für Cineasten interessant!
Sie macht Lust auf die Filme von Godard und Truffaut: Dank Arthaus-Kinowelt kein Problem: Das Label hat von Beiden schöne Werkausgaben auf DVD veröffentlicht. Jüngst Arbeiten Godards, die nach dem Bruch mit Truffaut entstanden sind!