Deutschland 2012
Regie: Doris Dörrie
Mit Vincenz Kiefer, Alba Rohrwacher, Matthias Brandt
Kinostart: 23. Februar 2012
Glückssucher stehen immer im Mittelpunkt der Arbeiten von Doris Dörrie – seit ihrem Debut „Mitten ins Herz“ von 1987. In ihrem bis her letzten im vergangenen Sommer erschienen Roman „Alles inklusive“ ist es das in die Jahre gekommene einstige Flower-Power-Girl, in ihrem neuen Film zweit vom Leben misshandelte junge Leute. Der Film basiert auf einer Erzählung aus dem Band „Verbrechen“ von Ferdinand von Schirach. Bei den am Sonntag zu Ende gegangenen Berliner Filmfestspielen fand die Uraufführung statt. Diese Woche kommt er bereits in die Kinos.
Der Film „Glück“ beginnt mit einem Unglück: der Hund des obdachlosen Punkers Kalle wird überfahren. Bei dieser Gelegenheit lernt er Irina kennen. Sie stammt aus Bosnien und verdient sich ihren Lebensunterhalt als Prostituierte. Zwei Seelenverwandte haben sich getroffen – und anderem auf einen Kinderspielplatz beim Schaukeln. Kalle erklärt Irina, was es mit dem „Wuppdich“ auf sich hat.
„Der „Wuppdich“ ist der Moment, an dem eine Schaukel ihren höchsten Punkt erreicht hat und für einen Sekundenbruchteil anhält: Es ist Irina, die im Alltag mit Kalle nichts unversucht lässt, um auch hier eine Art „Wuppdich“, den Moment des Glücks, herzustellen. Sie besorgt ihm einen Job als Prospekt-Verteiler, mit dem er aber dann nicht zurechtkommt. Kalle will auf und davon…
Mit Beharrlichkeit und Liebe gelingt es Irina Kalle von Straße zu holen. Aber bis die beiden wirklich glücklich sein können, müssen sie erst noch eine Katastrophe gemeinsam durchmachen: „Jetzt müssen wir etwas anderes machen“, sagte Kalle. Irina nickte und dachte, was für ein Glück sie doch hatten.“
Der lakonische Schluss der Erzählung „Glück“ von Ferdinand von Schirach in seinem Bestseller „Verbrechen“. Aus den etwas mehr als zehn Seiten hat Doris Dörrie einen 100-Minuten Film gemacht:
Wie Doris Dörrie die Leerstellen und knapp formulierten Zustandsbe-schreibungen filmisch ausfüllte, zeugt von großer Meisterschaft und macht ihren Film „Glück“ zum Ereignis, das der literarischen Vorlage ebenbürtig ist. Dabei hat sie auch die krassen Momente nicht außen vor gelassen, die für die Geschichte von zentraler Bedeutung sind: Ein Kunde Irinas stirbt bei ihren Dienstleistungen. Der in Panik geratene Kalle greift zum elektrischen Küchenmesser und zerstückelt die Leiche. Drastische Momente für einen Dörrie-Film. Doch die Beiläufigkeit ihrer Inszenierung macht sie erträglich.
Dörries Film heißt nicht nur „Glück“, sondern ist einer der schönsten Filme zu diesem Thema. Nicht zuletzt deshalb, weil es dabei auch um Unglück geht…