Deutschland 2011
Regie: Ciro Cappellari
Kinostart: 21. April 2011
Papst Benedikt XVI. gibt keine Interviews! Eine Ausnahme machte er zu seinem 80. Geburtstag und bei dem Journalisten Peter Seewald, der seine Gespräche mit dem scheuen Oberhaupt der Katholischen Kirche im vergangenen Jahr unter dem Titel „Licht der Welt – Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit“ im Herder Verlag veröffentlichen durfte. Darüber hinaus übt sich die Administration des Vatikans gegenüber der Weltöffentlichkeit in einer Zurückhaltung wie schon lange nicht mehr. Umso gespannter durfte man auf den Dokumentarfilm „Francesco und der Papst“ sein, den der renommierte Regisseur Ciro Cappellari „In Berlin“, 24h Buenos Aires“) mit dem Wohlwollen des Vatikans drehen durfte.
Die Schwierigkeiten der päpstlichen Administration mit der Medien-Öffentlichkeit stellten sich erst im Laufe der Dreharbeiten heraus. So dass der Filmemacher selbst im Presseheft schreibt: „Als ich 2009 mit meinen Recherchen für FRANCESCO UND DER PAPST begonnen habe, stand ich vor den imposanten Mauern des Vatikans und habe mich gefragt, wie ich jemanden, der in dieser extrem kontrollierten Welt lebt, privat oder zumindest persönlicher porträtieren kann.“ Um es gleich vorneweg zu sagen. Es ist Ciro Cappellari nicht gelungen!
Francesco Giuffra ist elf und hat eine wunderbare Stimme. Deshalb ist er nicht nur einfaches Mitglied, sondern Solist im Knabenchor der Sixtinischen Kapelle. Der Chor begleitet die päpstlichen Liturgien im Petersdom. Francesco kommt aus einfach römischen Verhältnissen und geht in die Ganztagsschule Schola Cantorum in der Nähe des Vatikans. Der aufgeweckte Junge lebt in zwei Welten. Diese besondere Situation hat Ciro Cappellari zu seinem Dokumentarfilm „Francesco und der Papst“ angeregt.
Der normale römischen Familienalltag auf der einen, die päpstliche Ausnahmesituation auf der anderen Seite. Dieses Spannungsverhältnis wollte filmisch er beschreiben. Eine in jeder Beziehung reizvolle Idee. Mit der Aussicht, dem Menschen Joseph Ratzinger gewissermaßen aus der Perspktive eines Kindes näher zu kommen. Dem Kind kam er näher, dem Papst weniger!
Theorie und Praxis, Wunsch und Wirklichkeit klaffen beim fertigen Film „Francesco und der Papst“ weit auseinander. Es war wohl unmöglich, im Vatikan frei zu filmen und in die Nähe von Benedikt XVI. zu kommen. Bürokratische Hürden ohne Ende: So blieb Ciro Cappellari nichts weiter übrig, als das gewohnte Bild des Oberhirten zu zeichnen, der sich als einer stilisiert (bzw. stilisieren läßt), der nicht ganz von dieser Welt ist. Egal, ob er in Afrika Huldigungen entgegen nimmt oder die Gläubigen auf dem Petersplatz segnet – mit immer derselben versteinerten Mine wohnt der Heilige Vater dem Treiben bei.
So bleibt Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. auch auf der Leinwand entrückt und unerreichbar. Selbst für Francesco hat er im Anschluss an ein Privatkonzert in den päpstlichen Privatgemächern nur ein paar dürre Worte. Von einem Papst im 21. Jahrhundert dürfte man da doch wohl etwas mehr erwarten.
Ein weiteres Problem von „Francesco und der Papst“ ist zumindest hierzulande, dass er komplett deutsch synchronisiert wurde. Dadurch ist dem Film der letzte Rest an Spontanität und Atmosphäre ausgetrieben worden; eine abschließende Beurteilung von Cappellaris Regieleistung unter diesen Umständen nur bedingt möglich. Dazu müsste man in die Schweiz reisen – da läuft er im untertitelten Original in den Kinos.
Einen Verdienst hat „Francesco und der Papst“ so oder so: er ist das (unfreiwillige) Dokument der Unmöglichkeit, über den Alltag im Vatikan in der Amtszeit von Benedikt XVI. einen authentischen Film zu drehen. Also solches ist er ziemlich aufschlussreich…
Ebenso wie das Gespräch, das Herbert Spaich mit Ciro Cappellari führte:[media id=207 width=320 height=20]